Meine jüngste Statistik für „User – Interface – Design“ zeigt, dass rund 23 Prozent aller Verkäufe 2015 als eBook erfolgt sind. Aber offenbar ist das entgegen aller Trends.
Laut dem Börsenverein des deutschen Buchhandels lag der eBook-Anteil in den ersten drei Quartalen 2015 bei 5,3 Prozent. In den USA beispielsweise wird ein Anteil von über 20 Prozent vermeldet.
Der Versuch einer statistischen Spurensuche.
Jahr | eBook-Anteil am Umsatz |
---|---|
2010 | 0,5 % |
2011 | 0,8 % |
2012 | 2,4 % |
2013 | 3,9 % |
2014 | 4,3 % |
2015 (Q1–3) | 5,3 % |
Quelle: Börsenverein: Wirtschaftszahlen eBooks und eBook-Studie 2014
Wie viel Anteil haben eBooks?
Allerdings kann der Börsenverein sich nur auf offizielle Buchveröffentlichungen (also jene mit Pflichtexemplaren bei der Nationalbibliothek) beziehen; On-Demand-Publikationen bleiben so teilweise außen vor. Eine weitere Verwässerung ergibt die Beschränkung auf den Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher).
Übrigens wurde in einer Schnellbefragung 2013 ermittelt, dass der eBook-Anteil bei 6,9 Prozent läge. Insofern sind die Zahlen sowieso mit Vorsicht zu genießen. Schließlich stammen sie auch weniger aus Verlagsbilanzen als vielmehr aus den Ergebnissen einer GfK-Consumer-Panel-Befragung (Pressemitteilung).
Bereits im März 2009 haben sich laut einer anderen Umfrage (Statista) 10 Prozent als eBook-Fans und 13 Prozent als eBook-Interessierte bezeichnet. Und eine Umfrage im Herbst 2011 ergab (Statista), dass durchschnittlich 15 Prozent gewillt sind, auch Bücher digital zu erwerben.
Und laut dieser Umfrage von 2014 kauft „Fast jeder fünfte eReader-Besitzer […] mindestens 5 eBooks im Jahr.“ Und das sind 2013 immerhin fast 3,7 Millionen Deutsche; das wusste die Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse. Und von den Befragten haben angeblich 6 Prozent in den vergangenen 12 Monaten ein ebook gekauft – das wären also rund 3 eBooks pro Besitzer gewesen (gesamt 12,3 Mio eBooks 2012). Der Börsenverein meldet für 2012 immerhin 13,2 Millionen eBooks und für 2013 bereits 21,5 Millionen.
Die eBook-Verteilung nach Genres gestaltet sich allgemein wie folgt (Quelle: Börsenverein des deutschen Buchhandels 2014):
Warengruppe | eBook-Anteil 2014 | Umsatzanteil am Gesamt-Buchmarkt 2014 |
---|---|---|
Belletristik | 84 % | 32,4 % |
Kinder- & Jugendbuch | 5 % | 15,8 % |
Ratgeber | 5 % | 14,9 % |
Sachbücher / Lexika | 6 % | 10,1 % |
Wissenschaften | k.A. | 11,2 % |
Schule & Lernen | k.A. | 9,2 % |
Reisen | k.A. | 6,5 % |
Der Büchermarkt in Zahlen
Da sich der Börsenverein naturgemäß eher an Umsätzen orientiert als an den Stückzahlen, sind zumindest die statistischen Differenzen zwischen dem eBook-Anteil am Buchgesamtmarkt irgendwie erklärbar. Da drei Viertel aller Bücher noch stationär gekauft werden (Aussage Börsenverein, u.a. hier: 4,6 Milliarden Euro Umsatz offline vs. 1,5 Milliarden Euro Umsatz online 2014), sind eBooks in ihrer Kaufreichweite begrenzt.
Insgesamt stellt sich die Kauf-Verteilung wie folgt dar:
Verkaufskanal | Umsatzanteil 2014 |
---|---|
Sortimentsbuchhandel | 49,2 % |
Verlage direkt | 20,4 % |
Internetbuchhandel | 16,2 % |
Sonstige (z.B. Supermärkte, Tankstellen) | 9,9 % |
Versandbuchhandel | 1,7 % |
Buchgemeinschaften | 1,3 % |
Warenhäuser | 1,3 % |
Übrigens haben die deutschen Verlagshäuser 2014 über ihre Tolino-Plattform mehr eBooks verkauft als Amazon über seine Kindle-Plattform. Der Börsenverein meldet für Tolino 45 Prozent Marktanteil und für Kindle 39 Prozent. Das sagt allerdings nichts über die Verbreitung der Geräte aus, sondern nur über den tatsächlichen eBook-Umsatz. Kein Wunder, dass Amazon seine Kindle-Offensiven verstärkt hat (Marketing und Werbung, Geräte-Preissenkungen, offensive Präsentation im Webshop).
Kontinuierlich steigt die Zahl der „offiziellen“ Veröffentlichungen pro Jahr weiter an (Zahlen vom Börsenverein; im Diagramm pauschalisiert je Jahrzehnt):
Auch diese Statistik berücksichtigt – wie alle vom Börsenverein – nur die über die Verlage veröffentlichten Bücher. Self-Publishing und On-Demand-Publikationen bleiben weitestgehend außen vor. Etwas ungewiss ist (für mich), ob Auflagenmillionäre wie Bibel, Koran oder ADAC-Atlas sowie beispielsweise Schulbücher und Lernmaterialien in den Zahlen der Nicht-Erstauflagen ebenso enthalten sind.
Erkennbar ist jedenfalls der Trend, dass noch in den 1980er und 1990ern der Erstauflagen-Anteil bei etwa 70 bis 75 Prozent lag (nur in den 1970ern lag er bereits für einige Zeit über 80 Prozent). Seit einem Sprung 2004 (von 76 Prozent in 2003 auf 85,6 %) bleibt der Erstauflagen-Anteil aber immer über 85 Prozent. Es gibt also immer mehr verschiedene Bücher (steigende Veröffentlichungszahlen), aber von einem geringeren Anteil werden Folge-Auflagen hergestellt (weniger als 15 Prozent).
Zum einen ist diese Schnelllebigkeit auch in den anderen Medien vorzufinden: Große Erfolgsfilme, die älter als zehn Jahre sind, landen beispielsweise seit einiger Zeit nur noch in Spartensendern und nicht mehr in den Hauptsendern. Zum anderen deutet sich ein Paradigmenwechsel an – wenn man so weit interpretieren möchte –: das Buch als Gebrauchs- und Nutzungsgut und weniger als Kulturträger. Und zum Dritten verdienen es immer weniger Bücher (wirtschaftlich, aus Sicht der zahlenden Kundschaft), neu aufgelegt zu werden: gelesen, weggeräumt, vergessen.
Dieser Trend lässt sich mit eBooks jedenfalls wesentlich wirtschaftlicher, kostengünstiger und müllsparender erfüllen als mit gedruckten Büchern. Die technologische Entwicklung in der Bücherproduktion, die die komplette Druckvorstufe an den Schreibtisch verlagert hat (weg von mechanischen Maschinen), dürfte jedenfalls ein Mit-Verursacher des Veröffentlichungsaufwinds sein. Und eBooks sind die „Nebenprodukte“ dieser Digitalisierten Bücherproduktion.
Probleme mit eBooks im Alltag
Eine Umfrage von 2011 liefert interessante Ansätze, worin die Probleme mit eBooks gesehen werden:
Grund | Nenn-Häufigkeit |
---|---|
Zu geringe Nachfrage | 91 % |
Zu kompliziertes Handling (Kopierschutz, Formate) | 67 % |
Geringe Gewinn- & Umsatzmargen | 57 % |
Zu hohe Investitionskosten | 42 % |
Konkurrenz für das gedruckte Buch | 39 % |
Ein anderer Grund | 7 % |
keine Barrieren erkennbar | 1 % |
Befragt wurden 394 Sortimentsbuchhandlungen. Somit sagt diese Umfrage mehr über die Branche und ihre Einstellung (Bestandswahrung, Zukunftsängste?) aus als über die Nutzerschaft.
eBooks nicht nur auf eReadern
Der Branchenverband Bitkom hat in einer Umfrage herausgefunden, dass nur ein Viertel der Bundesbürger eBooks liest, und zwar auf sehr unterschiedlichen Geräten:
Gerät | Nenn-Häufigkeit |
---|---|
Laptop | 41 % |
Smartphone | 38 % |
eReader | 33 % |
Insofern sollte man die eBook-Nutzung nicht zu sehr mit den Verkaufszahlen von eReader-Geräten korrelieren. Vielmehr rücken auch die eBook-Formate und geeignete Apps/Tools zur Verwaltung und Nutzung auf den verschiedenen Geräten in den Blick.
Außerdem stellt sich die Frage nach der Nutzungssituation: Werden Romane oder andere Belletristik-Werke tatsächlich auf einem Laptop-Monitor gelesen? Das spricht eher für ein anderes Verständnis von „eBooks“ als das des Börsenvereins Deutscher Buchhändler.
Meine Erfahrungen mit eBooks und ePublishing
Aus eigener Nutzer- und Ersteller-Erfahrung kann ich anmerken (das ist nicht repräsentativ!):
Das Bedürfnis im Alltag ist beschränkt, v.a. auf Bücher, bei denen es einen Mehrwert gibt für digitale Nutzung: entweder (viel) leichte Kost für Unterwegs (im doppelten Wortsinn „leicht“) oder Nachschlage-, Such- und Annotierungsfunktion für Fachbücher.
Die Konkurrenz der Formate und Bezugsquellen nervt tatsächlich, hat sich inzwischen aber reduziert, mit im Wesentlichen drei Hauptformaten und -bezugsquellen: iTunes Book-Store, Amazon Kindle und ePub. Dazu kommt noch PDF als häufig genutztes Publikationsformat (allerdings selten für eBooks im Sinn der Börsenverein-Statistiken).
Die Margen sind sogar höher/effektiver als bei Druckbüchern, da die Auflage unbegrenzt ist (sofern taugliche Preise festgesetzt wurden). (Heise.de: Buchpreisbindung soll auch für eBooks gelten) Für mein Buch „User – Interface – Design“ ist die Marge für Print- und eBook-Version jedenfalls etwa gleich – bei mehr als acht Euro Preisunterschied. Würde man dies verallgemeinern (und würden Verlage realistische Preise für eBooks ansetzen), würden Bücher deutlich günstiger werden können (aber dann verschwinden Arbeitsplätze in den Druckereien, Zwischenhändlern, Buch-Händlern, etc.).
Insgesamt ist die Kalkulation einer eBook-Produktion primär über die Erstellung zu denken und muss den Vertrieb (Papier-, Druck-, Lager-, Transport-, Remittenden-Kosten) nicht berücksichtigen. Gerade für Lern- und Schulungsmaterialien sowie ungewisse Auflagenhöhen hat das ePublishing ökonomische Vorteile. Natürlich verschiebt sich dadurch langfristig der Markt, wenn dann nur noch vornehmlich gut kalkulierbare Bücher gedruckt werden (= Massenware oder fixe Kleinauflage für abgezähltes Publikum), das überwiegende Restsortiment kann ja über eBooks günstiger abgedeckt werden.
Investitionskosten? Bücher werden heutzutage sowieso digital erstellt. Für Fließtexte (Romane) ist kein relevanter Zusatzaufwand nötig; für besonders layoutete Bücher allerdings schon (das würde den hohen Belletristik-Anteil erklären).
Ganz ehrlich: Den Erwerb eines digitalen Buchs in einem Ladengeschäft stelle ich mir irgendwie schräg und deplatziert vor (ich habe es auch noch nicht versucht).
Für Selbst-Publisher sind der Erstellungsaufwand und das Kostenrisiko sehr überschaubar. Das Aufwändigste ist das Marketing: Wie sollen die künftigen Leser vom eigenen Buch erfahren? Für das Marketing muss entweder Zeit oder Geld oder beides investiert werden – je nachdem worüber man am meisten verfügt. Gutes Netzwerken und etwas Glück gehören natürlich ebenso dazu.
Über welche Kanäle können Leser das Buch auch kaufen? An Amazon führt rein pragmatisch kein Weg vorbei – höchstens aus ideologischen Gründen in Randmärkten ist der Amazon-Verzicht tragbar. Verfügt das Buch über eine ISBN, ist es binnen weniger Wochen in allen Kanälen gelistet, und die meisten eBook-Anbieter arbeiten mit dem Großteil der Märkte zusammen.
Für reine eBook-Publikationen bin jedenfalls ich mit epubli ganz zufrieden. Für die Kombination Print/eBook habe ich gute Erfahrungen mit Books on Demand gemacht.
Quo, vadis – wohin geht’s also mit eBooks?
In Deutschland ist von der digitalen Wende zum ePublishing noch nicht so viel zu spüren wie in anderen Ländern. In den USA beispielsweise liegen die eBook-Anteile um ein Vielfaches höher als hierzulande.
In der o.g. Bitkom-Umfrage sind zwei weitere Ergebnisse bemerkenswert:
- Mehr als die Hälfte der 100 bestverkauften eBooks stammt nicht von Verlagen.
- Jeder Fünfte hat bereits eBooks gelesen, die Autoren im Eigenverlag veröffentlicht haben.
Insofern findet ein nicht unerheblicher Anteil der eBook-Realität außerhalb der Börsenvereins-Radare statt und würde zu dem vom Börsenverein insgesamt beklagten Umsatzrückgang beitragen. Denn die Menschen lesen nicht unbedingt weniger – sie nutzen nur mehr Bezugsquellen.
Das könnte man als Demokratisierung des Buchmarktes auf dem Rücken des alles demokratisierenden Internet interpretieren. Und abgesehen von Amazon haben die anderen drei GAFA-Mitglieder ein großes Interesse daran, diesen Markt zu unterstützen.
Es bleibt spannend, vor allem, wenn die offiziellen Statistiken zunehmend weiter vom den Randgebieten des Marktgeschehen abgekoppelt werden.