Woraus eine Marke besteht

Dass Marken mehr sind als nur Preis-Aufschläge für Produkte, wurde in den bisherigen Texten deutlich. Gute Marken haben eine Geschichte zu erzählen, verkörpern Werte und geben ein Versprechen für die Produkte ab. Aus den bisherigen Beobachtungen und Beschreibungen lässt sich eine Systematik destillieren, die die vielfältigen Abhängigkeiten und Beeinflussungen zwischen Hersteller/Markeninhaber, Kunde/Nutzer und Produkt verdeutlicht.


Eine gute und erfolgreiche Marke ist wie ein besonderer Partygast. Man hat ihn gern dabei, er bereichert jede gesellige Runde, alle Anwesenden genießen seine Nähe, erinnern sich gern an ihn und freuen sich auf die nächste Zusammenkunft. Eine solche Wirkung wird gern mit Charisma, Aura oder „dem gewissen Etwas“ beschrieben. Tatsächlich sind es mehrere Tugenden, die solche Menschen auszeichnen:

  • Selbstbewusstsein (die Person ist sich bewusst, wer sie ist, was sie kann und was nicht, wo ihr Sitz im Leben ist, etc.)
  • kommunikative Kompetenz
  • angenehme Erscheinung oder Ausstrahlung (von der Kleidung über die Körpersprache bis zur Sprechweise)
  • souveränes Auftreten und Taktgefühl
  • Vertrauen und Ehrlichkeit (Körpersprache und Aussagen sind synchron)

Was diese Personen auf keinen Fall haben oder ausstrahlen:

  • Dominanz, Zurechtweiserei
  • Aufdringlichkeit, Pampigkeit
  • Furcht, dass jemand einen Makel oder ein (früheres) Fehlverhalten bloßstellt (eben, weil es nichts Dramatisches bloßzustellen gibt; die Vergangenheit zahlt immer auch auf die Gegenwart ein)
  • unangebrachtes Verhalten

Spätestens der letzte Punkt verdeutlicht, dass der Kontext die Wirkung bestimmt, also der Anlass, das Publikum und die Stimmung der Party. Niemand wird gleichermaßen auf allen Partys – vom studentischen Saufgelage über eine private Geburtstagsfeier bis zur Abendgala – der besondere Gast sein.

Der Markenkern

Der Markenkern definiert sich über Qualität, Zielgruppe und Sortiment.Analog bestimmt sich der Kern einer Marke. Dieser besteht aus einem Dreieck:

  • Qualität: alle funktionalen und ästhetischen Eigenschaften, erfüllten Anforderungen
  • Scope/Sortiment: die Einsatzzwecke und Kontexte, für die Produkte dieser Marke in Frage kommen
  • Zielgruppe: für wen sind die Produkte der Marke gedacht, damit einher geht die Preispolitik

Die Marke selbst lebt durch ihre Produkte, ihre Ansprüche an Zielgruppe, Qualität und ihr Scope werden durch konkrete Produkte verwirklicht. Die Verantwortung für das Aufbauen und Bewahren eines Markenkerns liegt somit bei den Produkten bzw. Angeboten, über die sich die Marke gegenüber dem Kunden auf dem Markt realisiert.

Bei bestehenden Marken lässt sich das Dreieck gut rekursiv bestimmen. Je stärker eine Marke ist, desto klarer ist das Dreieck für deren Produkte definiert bzw. desto klarer lässt sich das Dreieck aus den Produkten dieser Marke herleiten. Ein Dreieck ergibt immer eine stabile Form, das Ziel ist es, eine möglichst große Fläche aufzuspannen, alle Seiten sollten also gleich lang sein.

Die Länge einer Seite bestimmt sich nicht quantitativ, sondern qualitativ – eben wie klar (und wenig schwammig) Qualität, Sortiment und Zielgruppe definiert sind. Wird beispielsweise ein sehr schmales Sortiment aus vier Produkten in drei Varianten angeboten, das sich an eine fokussierte Zielgruppe (junge besserverdienende Mütter) richtet, aber ist die Qualität nur vage definiert, entsteht ein sehr spitzes Dreieck mit wenig Fläche.

In der illustrativen Verkürzung definiert Burberry sein Sortiment als Oberbekleidung, die Qualität als herausragend und die Zielgruppe als besserverdienend. Die Rewe-Handelsmarke Marke „Ja“ definiert das Sortiment als Lebensmittel und Haushaltsprodukte (Verbrauchsprodukte oder fast moving consumer goods, FMCG), die Qualität als „hinreichend“  und die Zielgruppe als „Rewe-Kundschaft“.

Die drei Aspekte wirken aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig. Aus Sortiment, Qualität und Zielgruppe entstehen Interdependenzen, die geeignet aufgelöst werden müssen. Das lässt sich daran erkennen, dass die drei Seiten von Burberry und „Ja“ nicht miteinander vertauscht werden sollten, sondern sie funktionieren nur mit ihren jeweiligen anderen beiden Seiten.

Die Markenwirkung

Die Wirkung einer Marke basiert auf Marketing, Erwartung, Service und Image.Zum einen kommuniziert jede Marke ihre Werte und ihren Kern über jedes einzelne Produkt. Dessen Nützlichkeit bzw. Geeignetheit und Wert für sich überträgt der Kunde auf die Marke. Die Wirkung einer Marke entsteht aus einem Viereck:

  • Marketing: jedwede Kommunikation, die an Kunden gerichtet ist (direkt und indirekt) — die vom Markeninhaber gesteuerte „User Experience“ im breitesten Sinn
  • Image: das Bild, das sich Kunden von der Marke machen — die transzendierte oder abstrahierte „User Experience“
  • Service: der Umgang der Marke mit ihren Produkten gegenüber dem Kunden — die vom Markeninhaber gegenüber dem Kunden erfahrbare „User Experience“
  • Erwartung: mit welchen Annahmen bzgl. Sortiment, Qualität und Zielgruppe/Preis begegnet ein Kunde der Marke — die vom Kunden vermutete/erhoffte konkrete „User Experience“

So wie die Seiten des Dreiecks aufeinander aufbauen und miteinander in Bezug stehen, so wirken auch diese vier Seiten aufeinander. Auch hier ist das Ziel, dass die Fläche möglichst groß sein sollte, also idealerweise ein Quadrat entsteht. Das Marketing zahlt auf das Image ein, aus dem eine Erwartung erwächst, die sich auch auf den Service erstreckt. Es ist zwar geometrisch absurd, von einem Quadrat ein „rundes Gesamtbild“  zu erwarten – aber genau das ist nötig. Nur wenn alle vier Seiten harmonisch ausbalanciert sind und effektiv das Selbe ausstrahlen, kann es funktionieren.

Zur Illustration noch mal Burberry versus „Ja“:

  • Marketing: Style-Hochglanzanzeigen und -kataloge versus Präsentation im Ladenregal mit schlichter produktbezogener Im-Laden-Plakatwerbung
  • Image: hochwertige Oberbekleidung versus Verbrauchsprodukte des täglichen Bedarfs
  • Service: wohlfeile Präsentation und individuelle Beratung versus null Service
  • Erwartung: ein besonderes Kleidungsstück versus ein gewöhnliches Verbrauchsprodukt

Auch hier lassen sich die Seiten nicht zwischen beiden Marken austauschen.

Die Markenwirkung wird vom Markenkern gestützt.Die Gestaltung und Präsentation der Marke (auf einem Produkt) trägt ebenso dazu bei, bestimmte Erwartungen zu wecken wie eine konkrete Marketingaussage oder ein Slogan. Für verschiedene Markenbereiche haben sich bestimmte Konventionen herausgebildet, und die Kunden erkennen bereits anhand der Logo-Gestaltung bzw. des Designs des Marken-Schriftzuges, welchem Bereich (Sortiment, Preis, Zielgruppe) eine Marke zuzuordnen ist. Damit gehören die Gestaltung und das Design zu den indirekten Aussagen, die oftmals (unbewusst) stärker wirken als Aussagen in der direkten Kommunikation.

Im Gegensatz zu einem Dreieck kann ein Viereck instabil, labil, fragil werden und schnell in eine Richtung wegkippen. Es bedarf also besonderer Sorgfalt, das Quadrat zu stabilisieren und äußere Kippversuche abzufangen. Eine Shitstorm-Kampagne kann solch ein äußerer Kippversuch sein oder eine Marketing-Kampagne, die aus irgendeinem Grund am Ziel vorbeigeht oder ungeeignetes Erwartungsmanagement betreibt. Viele Kippungen geschehen durch innere Einflüsse: Sparprogramme kürzen das Budget für Service, Qualitätsschwankungen mindern die Qualität und somit das Image, Sortimentsveränderungen widersprechen der Erwartung, etc.

Der Vorteil bei einer Marke besteht darin, dass das innere Dreieck das äußere Quadrat stützt. Nur in besonders schweren Fällen besitzt ein Kippen des Quadrats genügend Kraft, auch das Dreieck zu verformen, meist wird dies jedoch durch innere Verschiebungen befördert.

Kauf-Effekt von Marken

Ob ein Produkt tatsächlich gekauft wird, entscheidet sich anhand von Erfahrung, Versprechen, Markt, Kanal und Prestige.Der tatsächliche Kauf eines Produkts wird durch fünf Aspekte bestimmt:

  • Markt: welche Gesamtauswahl steht zur Verfügung, gibt es eine Vielzahl von Alternativen oder nur wenige
  • Kanal: wo und wie kann ich das Produkt erwerben; wie verfügbar ist das Produkt
  • Prestige: wie nehme ich das (Marken-)Prestige wahr
  • Erfahrung: welche eigenen oder fremden Erfahrungen mit der Marke bestehen
  • Versprechen: welchen Nutzen wird mir der Erwerb des Produkts bringen (funktional, ästhetisch/Genuss, Außenwirkung)

Die Faktoren auf der rechten Seite sind faktisch und nahezu objektiv, die auf der linken Seite interpretiert und subjektiv. Die unbewusste Beeinflussung wie in dem Cola-Test wirkt primär auf der linken Seite des Diagramms, kann aber in die Beurteilung der Aspekte auf der rechten Seite hinüberwirken. Die untere Seite ist jeweils das individuell Erkannte bzw. Zugeschriebene.

Ein Markeninhaber wird die Aspekte von innen nach außen definieren und bestimmen, ein Konsument von außen nach innen. Diese gegenläufige Betrachtung gebiert fast zwangsläufig Kollisionen und Missverständnisse. Diese treten auch zwischen verschiedenen Konsumentengruppen auf. Diese können endlos darüber streiten, ob eine Marke bessere Produkte als eine andere hat oder verdammt werden sollte (Stichwort Apple-Mania). Da jede Konsumentengruppe eine andere Vorstellung von „besser“ hat, gibt es in solchen Debatten keine Sieger. Der Markeninhaber dagegen muss sich entscheiden, welche Gruppe er erreichen möchte und die insgesamt zwölf Aspekte im Dreieck, Viereck und Fünfeck entsprechend gestalten, um Missverständnisse zu vermeiden.

Der Effekt einer Marke basiert auf ihrem Kern, der Markenwirkung und ihrer Kaufbeeinflussung.Die fünf Seiten der Kauf-Wirkung umspannen als Fünfeck nunmehr das Quadrat, in dem sich das Dreieck befindet. Als Fünfeck ist es eine recht fragile Konstruktion, sollte aber ebenso eine möglichst große Fläche umfassen. Da sich die Seiten ebenfalls nicht quantitativ, sondern qualitativ bestimmen, ist nicht erfolgsentscheidend, ob ein Produkt über alle Kanäle (Ladenketten, Flagship-Stores, Marktplätze, Online-Stores, etc.) kaufbar ist. Vielmehr müssen die verfügbaren Kanäle zum Produkt/zur Marke passen und der Kunde dies auch so wahrnehmen.

Beispielsweise gibt es (nur!) im Paul-Smith-Store eine bestimmte Edition von „Caran d’Ache“-Kugelschreibern. Ein normales Exemplar dieses Stiftes führt ein guter Schreibwarenladen für etwa 15 Euro. Ein Paul-Smith-Exemplar kostet das Dreifache und zeichnet sich nur durch seine sehr besondere Farbe des Stifts aus. Diese Stifte gibt es in dieser Farbe sonst nirgends. Dies ist eine qualitative Kanal-Verengung, die den Wert des Produkts steigert; die preisbeeinflussende Verknappung findet nicht (nur) durch die Produktmenge, sondern durch die Kanal-Beschränkung statt.

Jedes Produkt muss sich hinsichtlich der fünf Seiten einordnen lassen. Dabei ist insbesondere die Erfahrungsseite nur schwer beeinflussbar. Sie basiert wie das Prestige auf äußeren Faktoren, die allenfalls indirekt beeinflusst werden können. Damit wirkt die Vergangenheit jeder Marke, ihre einstige Ausrichtung, auch auf die Gegenwart. Junge Marken kompensieren den Vergangenheitsmangel durch Testimonials, Testergebnisse, Multiplikatoren (Medien) und suggerieren so Erfahrung und Prestige. Für den Kunden ist somit das Fehlen dieser  Seiten akzeptabel. Das Design und die Präsentation können Erinnerungen an andere Produkte evozieren, die als Pseudo-Erfahrungen auf das aktuelle Produkt wirken.

Eine andere Wendung könnte sein, dass alle am Markt verfügbaren Produkte einer bestimmten Anforderung nicht genügen. Füllen nun ein neues Produkt oder eine neue Marke diese Lücke, dann werden Erfahrung und Prestige aus dem Füllen ebendieser Lücke bzw. aus der Gegenpositionierung gebildet.

Ein konkretes Produkt kaufen

Der Kauf eines Marken-Shirts.Anhand eines kürzlichen T-Shirt-Kaufes möchte ich die fünf, vier und drei Seiten der Markenbildung illustrieren. Ich befand mich in einem großen Berliner Kaufhaus, ohne konkrete Kaufabsichten, ich stöberte einfach als Shopping-Begleiter durch die Produkte. Plötzlich sehe ich ein rotes T-Shirt:

  • Markt: es gibt eine schier unendliche Menge von T-Shirt-Alternativen (ich bin also nicht auf den Kauf dieses speziellen angewiesen)
  • Kanal: das T-Shirt war im gerade genutzten Kanal (Kaufhaus) verfügbar
  • Prestige: ich kenne die Marke nur vom Namen her, aber der Stoff / das Material suggeriert eine Besonderheit
  • Erfahrung: bislang habe ich keine Erfahrungen mit Produkten dieser Marke, also probiere ich das T-Shirt an (und zwei andere zum Vergleich)
  • Versprechen: mein T-Shirt-Stapel wird um ein Exemplar erhöht, das man ohne Scham bei Besprechungen tragen kann

Auf der Quadrat-Ebene habe ich folgendes deduktiv erarbeitet:

  • Marketing: gelegentliche Plakatwerbung, die eher einen Style und ein Lebensgefühl als ein Produkt anpreist, ich fühle mich der Zielgruppe zugehörig (nicht hippig-flip, nicht seniorig-solide, nicht bemüht-jugendlich)
  • Image: mein Bild der Marke ist das eines soliden Qualitätsanbieters, der keine negativen Assoziationen auslöst; besonders positiv ist, dass die Marke sich zurückhaltend als kleines Logo präsentiert (große markante Logos wirken für mich wie ein Marken-Minderwertigkeitskomplex, der überkompensiert werden muss); es handelt sich offenbar um eine selbstbewusste Marke, die um ihre Vorzüge weiß und sich an Kunden wendet, die diese zu schätzen wissen
  • Service: das Kaufhaus ist für seinen guten Service bekannt, und das T-Shirt wird nicht ramschig als eines von Tausenden präsentiert, sondern kann auf dem Ständer zwischen dem halben Dutzend anderer Shirts gut für sich wirken; als ich aus der Umkleidekabine komme, werde ich freundlich beraten und bei der Auswahl unterstützt, nicht auf einen Kaufabschluss hin, sondern welches Kleidungsstück gut zu mir passt (vermutlich gibt es die Produkte dieser Marke daher nur in wenigen Kaufhäusern wie diesem und in den eigenen Stores)
  • Erwartung: ich erwarte eine hohe Qualität (nach mehrmaligem Waschen noch passgenau und farbtreu), einen entsprechenden Preis und gute Eignung für meinen Alltag (eben im Büro, in Besprechungen und unterwegs)

Der Markenkern besteht nach dem Dreieck offenbar aus:

  • Qualität: hochwertige Materialien in sehr guter Verarbeitung
  • Scope/Sortiment: Kleidung, die frisch und modern ist (ohne die Aufmerksamkeit vom Träger abzuziehen)
  • Zielgruppe: Besserverdienende, die angemessen gekleidet durch die Welt gehen wollen

Disclaimer: Es ist das mit Abstand teuerste T-Shirt, das ich mir bislang zugelegt habe, aber der Preis ist noch zweistellig (Wahnsinn kennt Grenzen;-). Es war halt ein bedachter Spontankauf. Ich war es mir in dem Moment einfach wert (Ich-Wert) und habe lediglich berücksichtigt, ob es eine negative Außenwirkung haben könnte (Fremd-Wert). Übrigens wäre das gleiche T-Shirt mit einer negativ assoziierten Marke bei mir gar nicht in die Auswahl gekommen.

Ausweichen in die eigene Marktnische

Ein besonderer Aspekt ist der Markt und wie man ihn definiert. Apple als Hersteller von Smartphones, Tablets und Computern beispielsweise definiert seinen Markt quasi selbst. Möchte ich einen Computer mit einem Nicht-Windows-System, habe ich nur Linux oder MacOS als Auswahl. Und im Markt der MacOS-Computer ist Apple der einzige Anbieter, da gibt es keine Alternativen. Das bedeutet, selbst wenn mir die Hardware nicht gefällt, habe ich keine geeignete Möglichkeit, MacOS zu nutzen, als mir einen Apple-Computer zuzulegen (die sogenannten Hackintoshs sind nur theoretisch praxistauglich). Gleiches gilt für Smartphones und Tablets.

Wer ganz allgemein ein Smartphone sucht, kann eines mit Android, Windows oder einem anderen System wählen. Wer sich jedoch – aus welchen Gründen auch immer – bewusst für ein iOS-System entscheidet, begrenzt den Markt auf wenige Produkte der Firma Apple.

Bei Bekleidung ist eine große Austauschbarkeit gegeben, kein Verschluss, keine Farbe, kein Schnitt, keine Trageform ist irgendwie markenexklusiv. Allenfalls bei einigen Materialien und Musterschutzrechten bestehen Grenzen. Will ich ein bestimmtes Material, auf das ein Hersteller die Patente hält, muss ich ein Produkt dieses Herstellers kaufen – dann ist aber der zu betrachtende Markt nicht mehr „alle T-Shirts“, sondern „T-Shirts aus Material XY“.

Gelingt es einer Marke, einen solch exklusiven Vorteil für sich herausgearbeitet zu haben, dann ist die Sortiment-Seite im Markenkern-Dreieck betroffen. Apple bietet demnach eben nicht „Smartphones“ an, sondern nur „Smartphones, die mit iOS laufen“ – das ist der Markenkern im Sortiment. Dieser wirkt sich bis zur Kundenwahrnehmung des Marktes aus, sofern das Wirkungsquadrat dazwischen effektiv funktioniert.

Marken sind bestrebt, einen derart klaren und exklusiven USP zu erschaffen, dass ihre Produkte eben nicht als austauschbar auf einem großen Markt existieren und wahrgenommen werden, sondern als eigene Nische innerhalb des Marktes. Das verschafft ihnen ein Monopol innerhalb dieses Teilmarktes und erleichtert den Kunden die Auswahl, denn die erste Seite des Fünfecks wird dann deutlich klarer begrenzt. Passen die vier übrigen Seiten (Kanal / Verfügbarkeit, Prestige, Erfahrung und Versprechen) dazu, dann ist die Kaufentscheidung deutlich vereinfacht.

Wort zum Schluss

In der Realität ist das Wirkungsgeflecht zwischen Marken und Kunden sehr vielgestalt. Kunden haben:

  • ein reales Bild von sich (das sie akzeptieren, ablehnen, tolerieren, optimieren etc. können)
  • ein ideales Bild von sich (das sie nach außen tragen wollen)
  • Prinzipien, Meinungen und Ansichten (aus Gefühlen oder Wissen heraus)
  • Vorlieben und Abneigungen (die meist emotional basiert sind und nur pseudo-begründet werden können)
  • ein Gefühl für Preise und ihr Budget (kann synchron sein, muss es aber nicht)
  • ein soziales Umfeld, das ihre Meinung von sich, der Welt und deren Werten beeinflusst
  • Prioritäten für ihr alltägliches Leben
  • Bedürfnisse (bewusste und unbewusste)

Marken sind in der Welt mit vielen Herausforderungen konfrontiert:

  • Kunden und deren Einstellung und Verhalten (s.o.)
  • Konkurrenten, vergleichbaren Angeboten
  • Wahrnehmungswunsch und -wirklichkeit
  • Trends, fremde Kampagnen

Insofern gibt es zahlreiche Reibungspunkte und immer die Gefahr des Scheiterns. Gerade in Bezug auf Preise gilt das Prinzip „Kunden wollen billiger, schneller, besser“. Nur in bestimmten Einkommensgruppen wird nicht über den Preis (billiger) diskutiert, sofern auch die persönliche Maturität besteht, hinter die Preis-Fassade zu schauen und Qualität und Service wertzuschätzen. Dies muss nicht für sämtliche Produktsortimente gelten, sondern gilt sortimentsbezogen.

Gern wird argumentiert, dass Frauen andere Werte beim Kleidungskauf anlegen als Männer und deshalb ein anderes Einkaufserlebnis benötigen und einen anderen Zugang zu Marken haben. Dies ist jedoch allenfalls eine Korrelation und keine Kausalität. Wer sich für das Bekleidungssortiment interessiert und in diesem einen bewussten Markenumgang pflegt (ob nun Mann oder Frau), handelt eben anders als jemand, der sich nicht für das Produktsortiment der Hosen, Blusen, Hemden, Unterwäsche, Socken, Anzüge, Kleider etc. interessiert. Gleiches gilt für Bohrmaschinen oder Technik-Gadgets, unabhängig vom Geschlecht.

Insofern haben Marken und deren Wirkung nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit dem Interesse einer Personengruppe an einem Sortiment (Dreieck). Dass es geschlechtliche Korrelationen oder Tendenzen gibt, kann im Marketing (Quadrat) effektiv genutzt werden, sollte aber nicht den Blick verengen.

Im Gegensatz zu einem Partybesuch, wo der Besuch als solcher bereits Lohn für die investierte Lebenszeit ist, existieren Marken nicht nur zum Selbstzweck. Sie sind Hilfsmittel, Produkte zu verkaufen. Aus Sales-Perspektive ist das Fünfeck das entscheidende. Doch jedes Verkaufsseminar betont, wie wichtig die Verkäuferpersönlichkeit ist und den Kauf beeinflussen kann.

Im Zeitalter der industriell hergestellten und austauschbaren Güter laden Marken die Produkte mit Wert, Emotionen und Persönlichkeit auf. Wie beim Treffen mit einem Menschen können dann Vorfreude und fröhliche oder gar glückliche Erwartungen einen Kauf begleiten und noch lange in die Nutzung nachklingen – bis zur nächsten Kaufentscheidung.


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Mein Essay über Marken in vier Teilen

  1. Überblick: Wie Marken funktionieren und ihre Bedeutung sichern
  2. Konsumentenperspektive: Marken bestimmen und koordinieren unseren Einkaufsalltag.
  3. Historische Perspektive: Marken entstanden aus Prestige und handwerklichem Renommee.
  4. Unternehmerperspektive: Marken sind mehrdimensional und erfordern konstante Arbeit.

Disclaimer: Das vorgestellte Modell mit Drei-, Vier- und Fünfeck ist selbst entwickelt. Ziel war es, die Vielfalt der Faktoren, die eine Markenwirkung und Kaufentscheidung beeinflussen, zu veranschaulichen. Wissenschaft und Fachbücher mögen andere Ansätze und Systematiken verwenden – für meine argumentativen Zwecke erschien mir diese Form der Illustration am geeignetsten.

Alexander Florin: Alexander Florinein Kind der 70er • studierter Anglist/Amerikanist und Mediävist (M.A.) • wohnhaft in Berlin • Betreiber dieses Blogs zanjero.de • mehr über Alexanders Schaffen: www.axin.de ||  bei Facebook || auf Twitter folgen

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