Keine noch so teure Sicherheitsanlage, die noch dazu alle Betroffenen eher nervt, kann gesunden Menschenverstand ersetzen, so die Kurzfassung eines Telepolis-Artikels.
Man kann auch andersherum argumentieren: Die für ein Ergebnis zu leistende Arbeit bleibt immer gleich, man kann sie nur anders verteilen. Um die Tür bei einer S-Bahn zu öffnen, musste ich früher mit einigem Kraftaufwand zwei Hebel auseinanderdrücken. Heute muss ich nur eine Sensorfläche antippen. Wo ist die übrige Arbeit geblieben: in den Werkstätten, bei der Wartung, bei all dem Aufwand, der betrieben wird, um die technisch ausgelöste Türöffnung herzustellen, einzubauen und vor allem um sie am Laufen zu halten. Übrigens konnte ich früher bei kaltem Wetter und leerem Bahnsteig einfach die Tür wieder zuschieben, jetzt braucht es dafür einen extra Knopf, der erst mal gefunden werden will.
Je mehr Elektronik und Technik in einem Produkt untergebracht wird, desto mehr Teile können ausfallen. Man kann es auch so sagen: je komplexer, desto kaputt. Dass die Geräte nicht ganz so oft kaputtgehen, wie es die erste Prognose unterstellt, liegt am Preis. Eine vollautomatische Waschmaschine (viel Technik = viel kaputt) ist teurer als eine, die einfach nur die Wäsche ordentlich durchnässt und durcheinanderwirbelt (wenig Technik = wenig kaputt). Die Entwicklung der Technik, die der Waschmaschine all ihre Zusatztricks beibringt, kann allerdings auf so viele Schultern verteilt werden, dass der Preisaufschlag moderat ausfällt, ebenso wie die Kaputt-Quote, die zwar höher als bei dem einfachen Modell ist aber eben nicht so hoch wie man es erwarten würde.
Oder noch anders formuliert: Jede neue Funktion erkauft man sich mit neuen Problemen. Maschinen und Technik sollten nur Aufgaben übernehmen, wo tatsächlich ein Mehrwert entsteht. Als die USA von Röhren-Radar auf ein digitales Radar umstieg, waren die Geräte so empfindlich, dass sie alles anzeigten, wobei die benötigten Informationen im Rauschen fast untergingen. Erst durch das Hinzufügen einer weiteren technischen Komponente, die das Rauschen abfing, wurde das neue Radarsystem nutzbar. Fällt nun eine der beiden Komponenten aus, ist keine Arbeit am Radarschirm nötig. Die Fehlerquote wurde verdoppelt. Auch wenn diese Radargeräte seltener kaputtgingen. Die Probleme konnten an vielen Stellen auftreten, bei den alten Geräten genügte es in 95 Prozent der Fälle, eine neue Röhre reinzuschrauben. Alte Geräte konnte der Bediener also flott selbst reparieren, die neuen mussten entweder in die Werkstatt oder erforderten zumindest einen höheren Fehlersucheaufwand (= mehr Ersatzteile, aufwändigere Schulung, etc.).
Ist dagegen in einem Online-Formular eine bestimmte Information an mehreren Stellen einzugeben oder ein Eintrag aus einer Eingabe zu errechnen, dann kann das die Maschine ruhig tun, denn sie arbeitet präziser als jeder Mensch. Wird in einem Formular mit 100 Feldern in sieben die selbe Information verlangt, dann sollte der Mensch auch siebenmal die selbe Information eingeben. Spannend wäre zu beobachten, was der Eingebende vor sich hin murmelt, wenn er zum vierten, fünften, sechsten, siebten Mal die selbe Information eingeben muss. Schnell würde man erkennen, ob er in einer aufbrausenden oder stoischen Stimmung ist. Da die Stimmungslage für den Computer uninteressant ist, sollte er gleich selbst die Information aus der ersten Eingabe in die sechs übrigen automatisch übernehmen.
Oder anders formuliert: Bei einem Computer fühlen wir uns verarscht, wenn er uns ständig das selbe fragt. Bei einem Menschen tolerieren wir dies. Computer sollten nur rein pragmatische Dinge tun (also nicht zusätzlich nach dem Geschlecht fragen, wenn es eine Einstellung zur Anrede gibt [denn das ist redundant]), alles, was über Pragmatismus hinausgeht, nehmen wir als unangenehm war (Uncanny Valley). Daher gehören Menschen an alle Stellen, wo es um Kommunikation, Interaktion und Intuition geht.
Was das Ganze mit Sicherheitspolitik zu tun hat? Das ganz einfache Gedankenspiel. Was ist sicherer: Wenn jeder Fluggast von insgesamt fünf verschiedenen Personen, die gut geschult sind, einfach in Augenschein genommen wird (dabei können durchaus Fragen oder andere plausible Interaktionen vorkommen), oder wenn jeder Fluggast durch mehrere technische Sicherheitsvorrichtungen geschleust wird und nur mit zwei Personen (die erfahrungsgemäß mehr mit der Technik als mit den Menschen beschäftigt sind) flüchtigen Kontakt hat?
Die Pointe besteht darin, dass es letztlich fast nie billiger wird, wenn man Menschen durch Technik ersetzt.
- Die Technik will angeschafft werden.
- Die Technik muss gewartet, betreut und ggf. upgedatet werden.
- Die Technik muss repariert werden.
- Die Bediener müssen geschult werden.
- Im Fall einer Störung muss die Technik ersetzt werden: durch Hilfskräfte, durch andere Technik (Reservepool), oder der Laden steht still.
- Die ganze Infrastruktur muss sauber funktionieren, alle Workflows müssen optimal auf die Technik (nicht die Menschen!) abgestimmt sein.
- Dadurch fühlen sich die Menschen in solcher Umgebung meist weniger wohl, was wieder Kosten für Wohlfühlfaktoren verursacht.
- Da die Technik die Menschen ersetzt, arbeiten diese vereinzelter, was die niedrigschwellige Kommunikation verringert, wodurch Probleme später erkannt werden – und damit teurer in der Lösung.
Oder anders formuliert: Nur bis zu einem Punkt X wirkt es sich tatsächlich effizienzsteigernd aus, mehr Technik zu verwenden. Punkt X wird fast immer deutlich schneller erreicht, als alle gedacht haben. Da sich keiner zugestehen will, dass Punkt X schon lange überschritten wurde, wird immer mehr Technik angeschafft, die Nebenprobleme, die durch Technik erst entstanden sind, zu beseitigen.
Anstatt also eine niedrig bezahlte Aushilfsstelle in der Administratorenabteilung zu unterhalten, die sich darum kümmert (und das prüft), dass die Datensicherungsanweisungen (Backup-Skripte) korrekt abgearbeitet werden bzw. in bestimmten Situationen ein händisches Backup (einfacher Kopiervorgang) vornimmt, beschäftigt sich ein teuer bezahlter SysAdmin damit, eine komplexe Backup-Strategie zu entwickeln, zu implementieren, wofür auch teils teure Zusatztechnik (Soft- und Hardware benötigt wird). Falls das System ausfällt, ist er nicht in der Lage, provisorisch ein Backup via externe Festplatte anzufertigen und diese in den Firmensafe einzuschließen. Natürlich ist eine solche Backup-Strategie günstiger – wenn sie drei Jahre lang ohne Probleme funktioniert. Jedes Problemchen schiebt die Rentabilitätsschwelle weiter in die Zukunft. Nach drei Jahren gibt es aber schon neue Software, Hardware, Probleme und damit neue Kosten etc.
Oder wieder anders formuliert: Bei jeder Kosten-Rechnung sollte ein 30-Prozent-Aufschlag einkalkuliert werden. Dieser kann einfach heißen „Es wird teurer, wir wissen noch nicht warum, aber es wird teurer.“
Bei der Einführung (und auch den Updates) von Hartz IV haben wir alle erlebt, was passieren kann: Die Technik (Software) war noch nicht mal im Ansatz so weit, den Menschen tatsächlich Arbeit abzunehmen, sämtliche Workflows waren aber auf eine funktionierende Software abgestimmt, sodass es unmöglich war, dass eine Bearbeiterin ein korrekt ausgefülltes Formular erstens selbstständig als „ok“ einstuft und zweitens gemäß der getroffenen Angaben eine Berechnung vornimmt. Stattdessen mussten umständlich Nebenwege in den Workflow integriert werden, um vorläufige Leistungen zu beantragen.
All die Technik kostet nicht nur Geld, sondern jedes zusätzliche Stück Technik tötet auch ein Stückchen Mitmenschlichkeit. Das wirklich Schräge an der ganzen Sache ist aber folgendes Paradox: Wir schaffen uns immer mehr Technik an, obwohl wir eigentlich der Technik grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Technik in fremden Händen ist uns suspekt, die selbe Technik in unseren eigenen Händen gibt uns Macht (um die durch Technik verursachten Probleme zu lösen, können wir ja weitere Technik kaufen).