Frauenquote und Pornografie

Männer ohne Pornos auf dem Computer machen sich verdächtig. Frauen nicht? Wieso lebt das Klischee des schwanzgesteuerten Y-Chromosom-Trägers so virulent weiter? Vielleicht weil es doch ein ziemlich großes Korn Wahrheit enthält? Wenn es aber tendenziell wahr ist, ergeben sich daraus sehr spannende Gedanken.

Zunächst ist festzuhalten / klarzustellen: Klischees stimmen nur tendenziell, selten absolut. Das bedeutet, dass von 100.000 Männern mindestens 50.000 das Klischee der Triebgesteuertheit wenn auch nicht rund um die Uhr, aber doch zumindest immer wieder (vielleicht drei bis fünf Stunden pro Woche, um mal irgendeine Zahl zu nennen) erfüllen. Das bedeutet andersherum, dass von 100.000 Frauen mindestens 50.000 das Klischee der nicht triebgesteuerten Alltagsbewältigung erfüllen.

Man mag von Freud halten, was man will. Aber die Idee der Ersatzhandlung zur Triebbefriedigung scheint im Alltag öfter aufzutreten als man gemeinhin zugeben möchte. „Geistige Masturbation“, „geistige Ergüsse“ oder „hohles Gewichse“ als Urteil über mündliche oder schriftliche Äußerungen ist gängiges Vokabular, wenn auch nicht in allen Bevölkerungsschichten.

Nehmen wir einfach einmal einen Klischeefall: Ein Mann fühlt sich „unter Druck stehend“ und sieht keine Möglichkeit, diesen auf befriedigende Weise auszuleben. Seine Frau oder Freundin ist entweder nicht da oder „nicht in Stimmung“ (tendenziell spielen die Stimmung und das Ambiente bei Frauen eine wichtigere Rolle als bei Männern; jaja, ein Klischee, aber unter den o.g. Einschränkungen durchaus zutreffend). Auch andere reale Triebbefriedigungsmöglichkeiten sind weder online noch offline in Sicht. Also greift der Mann zur Pornografie, um sich die nötige Erleichterung zu verschaffen. So weit, so gut.

Nun kann Masturbation ja durchaus als befriedigend wahrgenommen werden, aber sie ist dem „echten Sex zu zweit“ nun mal in der gesellschaftlichen Anerkennung (und meist auch im persönlichen Erleben) deutlich nachgelagert. Sämtliche Statistiken deuten darauf hin, dass Männer öfter masturbieren als Frauen. In einer allgemeinen Statistik wurden einmal Sex und Masturbation zusammengezählt. Männer kamen auf einen Durchschnittswert von dreimal pro Woche, Frauen auf knapp zweimal pro Woche.

Es gibt also eine Triebbefriedigungslücke. Bei Männern. Der Film „Dr. Seltsam Oder Wie ich lernte die Bombe zu lieben“ schildert eindrücklich und treffend, wie Männer ihre unbefriedigten Triebe kanalisieren können. So mancher Künstler oder Autor gibt in ehrlichen Momenten zu, dass die Schaffung eines Werks besser ist als ein Orgasmus. Kunst bzw. allgemein schöpferisches Tun kompensiert das Triebausleben und wirkt somit frustvorbeugend.

Wenn wir jetzt einmal zusammenzählen, wie viele Männer in der menschlichen Geschichte ihre Triebe nicht unmittelbar befriedigen konnten oder wollten (erinnert sei auch an das Masturbationsverbot), und die Zahl der Frauen mit dem gleichen Problem einmal gegenüberstellen, so entdecken wir eine auffallende Diskrepanz. Unter diesem Licht betrachtet, ist die hohe Zahl an männlichen Literaten, Malern, Künstlern, Wissenschaftlern geradezu konsequent.

Es klingt so wahnsinnig platt, chauvinistisch, sexistisch und klischeebeladen, dass man sich eigentlich für den Gedanken schämen müsste. Ich möchte und werde auch nie behaupten, dass es eine schlichte Monokausalität gibt, aber ich bin mir sicher, dass die Gedankenkette zumindest einen Teilbeitrag zur Erklärung leistet. Und ich bin mir sicher, dass unsere Gesellschaft durch die Tabuisierung bzw. Ausblendung von Sexualität sich selbst keinen Gefallen tut, da sie sich wichtiger Erkenntnisse beraubt. Es muss selbstverständlich sein, dass in jedem Gespräch unter Erwachsenen über Sexualität gesprochen werden kann, ohne dass jemand rot wird, verschämt kichert oder sonst eine unangemessene Reaktion zeigt.

Wenn Männer also tendenziell eher dazu neigen, nicht-ausgelebte (sexuelle) Triebe durch Werk-Schöpfung, Macht-Erlangung (politisch, wirtschaftlich, menschlich) oder -Erhalt oder Holzhacken / Spaziergänge / kulinarische Genüsse oder sonstwas zu kompensieren, dann beschleicht einen irgendwie der Verdacht, dass der Feminismus die falschen Symptome bekämpft. Von Frauen sind solche Kompensationshandlungen jedenfalls kaum bekannt.

Und vielleicht ist es auch wirklich so, wie es andere Klischees suggerieren. Männer brauchen die kurze Ad-hoc-Triebbefriedigung, während Frauen dies eher langfristig anlegen. Männer müssen oder wollen sich in konkreten zeitlich begrenzten Situationen beweisen und behaupten. Frauen wollen eher durch kontinuierliche Leistung überzeugen.

Klischees, die nicht mal ansatzweise wahr sind, sterben aus. Das bedeutet, jedes Klischee enthält zumindest einen Anteil Wahrheit, auch wenn es oft nur die stark vereinfachte Version eines Teils der Wahrheit ist. Nur um das noch einmal unmissverständlich klarzustellen: Die Welt ist keine so einfache, wie man es gern hätte. Es gibt zahllose Männer und Frauen, die die zitierten Klischees nicht erfüllen. Aber von 100.000 Menschen (hälftig Frauen und Männer) würden deutlich mehr Männer die Klischees erfüllen als Frauen, und es würden auch deutlich mehr Männer die Klischees zu einem großen Teil erfüllen als es Männer gibt, die sie gar nicht erfüllen.

Weil ich jetzt nicht noch die Frauenklischees aufgreifen und analysieren möchte, beschränke ich mich darauf festzustellen, dass unter dieser Perspektive es schwer fallen wird, Frauen in die Führungsetagen zu hieven. Nicht weil sie es nicht könnten. Nicht weil sie es nicht verdient hätten. Sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil ihnen der trieb-kanalisierte Ehrgeiz fehlt, der Männer ihr Leben lang vorantreibt. Denn darin wurde Freud bislang nicht widerlegt: Stärker als jeder monetäre Anreiz ist die Befriedigung von Trieben.

Dass die Männer im Lauf der Jahrhunderte es natürlich für Frauen (aber auch für alle anderen Außenstehenden) erschwert haben, in ihre höheren Kreise vorzudringen, gehört zu dem ganzen Thema dazu. Aber das betrifft nicht nur Frauen, sondern auch andere Männer, wenn sie aus zu fernen gesellschaftlichen Sphären kommen. Ein Proletarier-Sohn wird es trotz aller Bildung genauso schwer haben, eine Führungsposition in einem Dax-Unternehmen zu erlangen wie eine Frau, möglicherweise ist es für ihn sogar schwieriger. Für beide ist es nicht unmöglich, aber tendenziell so unwahrscheinlich, dass es Ausnahmeerscheinungen bleiben.

So zeigt sich im Licht der Frauenquotierung einmal mehr das Problem des gesellschaftlichen Umgangs mit Trieben, Sexualität und anderen Privatangelegenheiten. In Deutschland sind wir da zwar noch etwas offener als die klischee-prüde USA, aber nur weil wir nicht ganz so schlimm sind, heißt es noch lange nicht, dass es bei uns gut ist.

Übrigens: Als Beleg, dass die ganze Angelegenheit nicht so schlicht monokausal ist, wie wir es gern hätten, dient der Umkehrschluss. Viele Werke (Gemälde, Literatur, Skulpturen, etc.) sind auch von Menschen entstanden, die einen gesunden Umgang mit ihrer Sexualität pflegten. Aber die meisten (Männer) werden es bestätigen können: Etwas geschafft oder erreicht zu haben, fühlt sich einfach geil (im Doppelsinn) an.

Achja, Frauenquoten wecken Assoziationen an Fangquoten, Abschussquoten und Einschaltquoten und kaschieren letztlich nur Symptome, statt tatsächliche Probleme zu lösen.

Alexander Florin: Alexander Florinein Kind der 70er • studierter Anglist/Amerikanist und Mediävist (M.A.) • wohnhaft in Berlin • Betreiber dieses Blogs zanjero.de • mehr über Alexanders Schaffen: www.axin.de ||  bei Facebook || auf Twitter folgen

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