Der alte Edward Bloom (Albert Finney) liegt komplett bekleidet in der vollen Badewanne. Seine Frau (Jessica Lange) kommt hinzu, und obwohl er es ihr nicht zu erklären bräuchte, sagt er: »Ich fühlte mich so ausgetrocknet.« Wasser ist das Hauptelement des Films. Dort beginnt er, dort endet er und immer wieder taucht das Wasser im Bild oder in den Dialogen auf. »Ein großer Fisch braucht einen großen Teich«, erklärt Edward Bloom seinen Drang, als junger Mann der kleinen Südstaatenstadt Ashton zu entfliehen und etwas Großes aus seinem Leben zu machen. Nun, wo er im Sterben liegt, bleibt ihm nur der kleinste aller Teiche: seine Wanne.
Dieser Film über das Sterben feiert das Leben. Er feiert die Fantasie, er feiert die Mysterien des Alltags und das Glück der Liebe. Als Kind sah Edward im Glasauge einer Hexe, wie er sterben wird und konnte sich beruhigt allen gefährlichen Situationen stellen. Im Zirkus des Amos Calloway (Danny de Vito) lässt er sich aus Kanonen schießen und legt sich mit einem Werwolf an, der sich als Calloway entpuppt. Sein einziger Lohn für drei Jahre Arbeit im Zirkus ist, dass Calloway ihm monatlich ein Detail über die Frau verrät, in die Edward sich verliebt hat: Sie geht aufs College, sie mag Glockenblumen. Wenn Edward dann vor dem Studentenheim in einem endlosen Glockenblumenfeld um sie freit, ist das genau die richtige Portion des »larger than life«.
Wie schon bei seinen anderen Edward-Filmen (»Edward Scissorhands«, 1990 und »Ed Wood«, 1994) ist die Liebe des Regisseurs Tim Burton zu seinen Figuren in jeder Szene spürbar. Doch diesmal steht kein Außenseiter im Mittelpunkt der Geschichte, sondern ein Mann, den alle lieben. Nur Sohn William (Billy Crudup) ist von Edward enttäuscht. Er glaubt, hinter all den fantastischen Geschichten seinen Vater nicht zu kennen. Dieser Vater-Sohn-Konflikt am Sterbebett kommt in der wunderbaren Romanvorlage kaum vor, so wie auch zahlreiche Episoden und Leitmotive des Films im Buch völlig anders oder gar nicht auftauchen. Dadurch gibt Burton der Schwelgerei in fantasievollen Szenen eine liebevolle Bodenhaftung und die Möglichkeit, über die Verbindung von Realität und Fiktion zu reflektieren – und die Fantasie hochleben zu lassen.
Liebe Kinogänger, seid nicht so zynisch, diesen »Großen Fisch« zu verpassen, nur weil alle Rezensenten vor lauter Lob hohe Wellen schlagen. Dieser Film hat alles Lob verdient, das ihm Nichtzyniker angedeihen lassen können. Und wer die Chance dazu hat, sollte ihn sich im Originalton anschauen, denn für die skurrile Filmwelt wurde ein eigener Südstaatenakzent kreiert, der auf Deutsch schlicht verloren geht.
erschienen in der UnAufgefordert Nr. 145