Apple gerät zunehmend in die Kritik. Doch diese ist meist entweder einseitig, fehlgeleitet, falsch oder thematisiert die falschen Aspekte. Ein Beispiel unter vielen liefert Silicon.de. Eine Erwiderung, Ergänzung ist nötig.
Wer braucht wirklich Flash? Wie Thomas F. in den Kommentaren sagt, gibts doch sinnvolle Werkzeuge für interaktiven Content (HTML 5, CSS 3), die auf allen (!) modernen Geräten gleichermaßen laufen. Adobe ist ja nicht mal in der Lage, eine einheitliche (!) Flash-Plattform für Windows/Mac/Linux-Rechner und Mobil-Geräte bereitzustellen. Die Mobilversion kann Dinge nicht, die die PC-Version kann. Wenn eine theoretisch funktionierende „Internetseite“ (Flash-Applikation) auf einem Gerät nicht funktioniert – wen beschimpfen die Nutzer (nicht die Profi-Nutzer, sondern die normalen Nutzer)?
Im Internetbereich setzt Apple komplett auf offene (!) Standards. Flash ist ein geschlossenes System und damit von Adobe, deren Programmierern und Managern abhängig. Komischerweise wird nirgends kritisiert, dass Adobe ein geschlossenes Flash-System nach Gutdünken und mehr schlecht als recht am Leben erhält, während Apple für sein funktionierendes iTunes-iPod-iPad-Store-System ständig gescholten wird
Zu den geänderten Lizenzbedingungen: Es ist wirklich grausam, einem Programmierer zu sagen, er möge doch bitte eine echte Programmiersprache verwenden. Jede Multiplattform-Entwicklungsumgebung wird entweder partiell Murks erzeugen oder sich auf den kleinsten verfügbaren Nenner konzentrieren. Es ist illusorisch, mit einem Entwicklungswerkzeug die gleiche Anwendung für verschiedene Hardwaresysteme schreiben zu wollen. Die Ausstattung (Bildschirm, Sensoren, Tasten, etc) weichen dermaßen voneinander ab, dass der kleinste gemeinsame Nenner nur den Abklatsch einer guten Anwendung ergibt. Wer einmal Linux-Programme über X11 auf dem Mac-System hat laufen lassen, weiß, wie irritierend es sein kann. Die Programme laufen zwar und erfüllen ihren Zweck, aber befriedigen kann die Bedienung nicht. Auf einem Mobilgerät, das nur über Touch bedient werden kann, muss die Konsistenz in der Bedienung erst recht gewahrt werden.
Wer einmal gesehen hat, welche Ergebnisse ein HTML-Editor wie Frontpage, GoLive oder DreamWeaver (die HTML-Ausgabe aus Word heraus erspare ich mir) erzeugt, weiß, dass ein Programmierer auch den Programmcode kennen muss. Denn die Standard-Ausgabe erzeugt nur grundsätzlich funktionierenden HTML-Code, etwas manuelle Nacharbeit lässt ihn erstens schlanker und eleganter werden und kann zweitens Fehler beheben sowie drittens manche Dinge einfach möglich machen, die in der „Layout“- oder „Entwurf“-Ansicht schwer oder gar nicht erreicht werden können. Wenn schon so etwas Standardisiertes wie HTML-Code von keinem der großen Web-Editoren hundertprozentig super erzeugt werden kann, wie will ich von einem Fremdanbieter (Adobe) erwarten, dass deren Programm wirklich sauberen und eleganten (energiesparend, effizient, platzsparend, ballastarm) Code für iPhone oder iPad erzeugt?
Nebenbei: Apple stellt den Programmierern die gleiche Programmierumgebung kostengünstig zur Verfügung, die sie selbst verwenden. Wer mit Microsoft vergleicht, sollte berücksichtigen, dass Microsoft sich die Entwicklerwerkzeuge gut bezahlen lässt und sich selbst vorbehält, mit anderen zu arbeiten.
Bild: AppleJa, Apple sollte nicht als Inhaltszensor auf seiner Plattform walten. Aber offenbar tun sie dies in einem Rahmen, der von den meisten Nutzern – wenn auch nicht bejubelt, so doch aber zumindest – toleriert wird. Sinnvoller wäre es sicherlich, eine Kategorie zu schaffen, in der sämtliche inhaltlich – aus Apple-Sicht – fragwürdigen Angebote landen und den Zugang zu dieser Kategorie mit einer Autentifizierung zu versehen. Was die Store-Plattform als solche betrifft, befürworte ich eine technische (keine inhaltliche!) Prüfung der Apps, um zu gewährleisten, dass nicht allzu viel Schrott angeboten wird.
Hätte Microsoft ähnliches für Windows geleistet, bräuchten wir keine Virenscanner. Ich lehne es kategorisch ab, auf einem Mobiltelefon einen Virenscanner installieren zu müssen. Und die Preise in Apples Store sind kostendeckend, Amazon verlangt beispielsweise mehr als 50 Prozent Verkaufsprovision, wenn ich darüber Produkte direkt verkaufen will. Wer sich also über die Preise aufregt, sollte einmal kalkulieren, welchen Aufwand und welche Kosten er selbst zu bewältigen hätte, wenn er ein Computerprogramm selbst vertreiben würde.
Offene Plattformen wie Android haben dagegen das Problem, das man im Vorfeld noch nicht einmal weiß, welche Bildschirmauflösung das Gerät haben wird und welche Sensoren verfügbar sind, ob es Tasten gibt und welche, ob Multitouch-Gesten unterstützt werden oder nicht. Wie will ich so ein Programm designen, das auf möglichst vielen Geräten läuft? Ich kann mich nur an dem kleinsten gemeinsamen Nenner orientieren, alles andere bedeutet großen Mehraufwand oder Verlust von potenziellen Kunden. Warum habe ich als Kunde aber ein Super-Gerät, wenn die meisten Apps dann nur 08/15 sind (damit sie eben auch auf den Nicht-Ganz-So-Super-Geräten funktionieren)?
In dem ganzen Bereich gibt es viele (seeeehr viele) Aspekte gegeneinander abzuwägen.
Eines sollte bei aller (teilweise berechtigten) Schelte oder Skepsis nicht vergessen werden: Welche Geräte hätten wir, wenn Apple nicht iPhone, iPod touch und iPad entwickelt hätte. Windows-Telefone? Wer will damit ernsthaft surfen? Ultra…irgendwas-Computer? Wer benutzt die tatsächlich, gibt es solche Geräte überhaupt, oder waren die nur eine verrückte Idee? Virtueller Musikladen? Hat jemand bei Microsofts DRM-Lösung tatsächlich durchgesehen? Achja, und als die den Zune rausgebracht haben, haben die auf einen Schlag einfach gesagt „Plays for sure“ (der Name ist Hohn!) gilt nicht mehr und gibts nicht mehr.
Bei Apple gilt nach meiner bisherigen Beobachtung: 90 bis 95 Prozent klappen super und sind voll alltagstauglich und problemfrei. Die restlichen fünf bis zehn Prozent verteilen sich auf den Wunsch, seltsame Geräte anschließen zu wollen, etwas tun zu wollen, von dem Apple nie (!) gesagt hat, dass es ginge (WMA-Dateien auf dem iPod; WMA – schon wieder so ein Witz und geschlossener Standard, der übrigens auch auf Linux-Rechnern nicht einfach abspielbar ist; im Gegensatz zu AAC und MP3) oder durch exotische Wünsche wie „ich möchte mir das iPad eine halbe Stunde lang vor das Gesicht halten und videofonieren“ (wer es einmal theoretisch probiert hat, erkennt, das Videofonie nicht unbedingt das ist, was man mit dem iPad tun möchte; entweder wird das Bild sehr wackelig oder die Perspektive von schräg unten ist dermaßen unvorteilhaft, dass ich die Kamera am liebsten mit dem Finger zuhalte). Diese Quote von 90 bis 95 Prozent hab ich bislang bei keinem anderen Unternehmen im Computer/EDV-Bereich erlebt, gute Unternehmen erreichen 80 Prozent – jedenfalls in meinem Nutzeralltag. Zu diesen gehört an den guten Tagen immer mal wieder Adobe. Microsoft kommt auch gelegentlich über die 70-Prozent-Marke, jedenfalls wenn Word nicht gerade wieder irgendwelche Zeilen verschluckt.
So viele Worte, aber letztlich nur noch ein Gedanke: Kritik bedeutet, dass man beide (!) Seiten beleuchtet, es gibt ein Pro und Kontra. Alles andere ist Marketing oder billige Propaganda.
Siehe auch Digitale Mythen, Das iPad ist kein Computer.