Das scheint jedenfalls die These des Konsumpf-Blogs zu sein. Die grundsätzliche Prämisse des kritischen Hinterfragens ist an und für sich zu begrüßen. Doch bei diesem konkreten Artikel regt sich in mir Widerspruch.
Blogger wollen wie Journalisten ernst genommen werden. Doch wie bei Journalisten gehört Wissen und Verantwortung dazu. Wissen = Kenntnisse, über das was man schreibt (allein die Zitatauswahl zeugte nicht unbedingt davon). Verantwortung = Man wirkt als Multiplikator, daher wiegt jeder „Müll“, jede Lüge, jede Unwahrheit doppelt schwer, im Gegensatz zu einem Stammtischgespräch. Das erinnert ein wenig an den Beitrag von Sabine Brendel.
Zum Thema Textkritik ein paar Zitate: Der Text will beleuchten, „wie wir mit dem Web umgehen“ – das tut er aber gar nicht! Alle Vorwürfe zielen ausschließlich auf ein paar verweigerte/abgelehnte Apps ab. Nicht auf das Internet (naja, was ist das Internet eigentlich? ;-) Auch die eingebettete ZDF-Doku bekommt die Trennung nicht hin. Und jede deutsche Nachrichtensendung muss z.B. darauf achten, auch kindertaugliche Bilder zu zeigen. (jaja, der Jugendschutz. In dessen Namen wird noch ganz anderer Schindluder getrieben) Dass z.B. die prüde Walmart-Kette in den USA auf CD- und DVD-Anbieter mindestens eine ebenso zensurfreundliche Politik an den Tag legt, wird auch gern vergessen. Kein Verlagshaus ist darauf angewiesen, ihre Inhalte via App anzubieten. Sie können auch einfach gute Webseiten machen mit Extra-Zugang für Abonennten … Telepolis beispielsweise macht auf dem iPad mehr Spaß und liest sich besser als auf dem Monitor.
Zitat 2: „das Unternehmen bringt mit dem iPhone und dem iPad Geräte auf den Markt, die proprietäre Software benutzen und bei denen Apple versucht, den Daumen auf die Datenströme zu haben.“ WebKit ist offener als das gesamte Android. Android ist in proprietärer Hinsicht mindestens so verseucht wie iOS (Lesetipp 1, Lesetipp 2) Was ist mit „Datenströmen“ gemeint? Keiner muss iTunes im Alltag verwenden. So wie andere Mobilgeräte auf teilweise katastrophale Software angewiesen sind, um Daten und Dateien zu überspielen (von synchronisieren gar nicht zu reden), so ist iTunes die Synchronisationssoftware. Dass mir das so auch nicht komplett gefällt, habe ich schon mal gesagt. Aber es funktioniert, und zwar problemlos. Welche Datenströme können gemeint sein? Die einzigen, die Apple tatsächlich kontrolliert, sind die der Stores für Apps und Medien. Dazu unten mehr. Andere Datenströme unterliegen gar nicht Apples Einfluss. Und wenn wir proprietäre Software per se als schlecht ansehen, dann mögen doch bitte Nokia, Microsoft, Oracle, Google, Adobe und sämtliche App-Anbieter bitte den Quellcode ihrer Programme offenlegen. Was, das will keiner tun? Warum nicht? Warum verlangen wir es dann von Apple, die so offen sind, wie es wirtschaftlich vertretbar ist? (Wie gesagt, der Vergleich zu Android ist nicht zugunsten des letzteren)
Zitat 3: „die Gefahr ist natürlich sehr groß, dass so eine Entdemokratisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird“ Das merken gerade die arabischen Länder: Zensur und Beschneidung sorgen für eine friedliche Bevölkerung, die alles so frisst, wie es ihnen angeboten wird. Die Bild-„Zeitung“ ist da gefährlicher für die deutsche Demokratie als alles, was Apple je tun könnte, und die Bild-„Zeitung“ wird von Deutschen gemacht.
Zitat 4: „alles unter dem Radar der meisten Menschen, schleichend“ … Schon mal ne Debatte über Internetzensur oder Film- oder Computerspielzensur in Deutschland erlebt? Dagegen ist Apple geradezu frivol.
Zitat 5: „So besteht die Gefahr, dass dadurch, dass immer mehr Menschen auf die von Konzernen bereitgestellten Plattformen wechseln und nur die dort zugelassenen Medienangebote konsumieren, die Bedeutung von alternativen Medien wie Blogs etc. zurückgeht und es so immer schwieriger werden könnte, Aufklärung und Hinterfragen zu einer größeren Aufmerksamkeit zu verhelfen.“ Dass das horrender Blödsinn ist, habe ich in den Kommentaren mehrfach dargelegt. Schirrmacher als Kronzeugen herbeizurufen, der sich durch Unkenntnis/Ahnungslosigkeit selbst disqualifiziert, ist so ziemlich der strategisch ungünstigste Sekundant in der Argumentationslinie.
„von Konzernen bereitgestellten Plattformen“ – von wem bitte sonst? Ist Windows nicht von einem Konzern bereitgestellt? Verwendet der Linux-User nicht die Distribution eines – zugegebenermaßen kleineren – Konzerns wie Suse (Oracle), RedHat oder Ubuntu?
Zugelassen sind auf dem iPad alle (!) Medienangebote, die auch mit jedem anderen Browser abrufbar sind (wie gesagt: wenn Adobe eine funktionierende mobiltaugliche Flash-Version angeboten hätte, hätte Apple sie installiert, aber es gab und gibt keine; und das iOS hat den besten Browser). Es gibt sogar eine kostenlose WordPress-App, die es mir erlaubt, sehr komfortabel meinen Blog damit zu verwalten – und nicht wie unter Windows oder auf einem Mac nur mittels Browser.
Wer eine kreative Konsumkritik abgibt, sollte sich auch gut mit seinem Thema auskennen, sonst wird die Kritik nur kreativ und nicht kritisch. Dabei muss man sich nicht unbedingt auf jede Debatte einlassen (die sind zum Teil wirklich abstrus), aber zumindest den Beitrag ordentlich recherchieren und mit Sachverstand verfassen.
Doch hier steht nur eine Idee im Zentrum, die von anderen Medien gebildet oder zumindest gleichlautend verbreitet wurde, die aber schon die Begriffe nicht sauber verwendet (Apps sind eben nicht das Internet, sondern nutzen es nur als Vertriebskanal) und ebenso leicht als Meinung (angereichert mit ein paar Fakten) zu enttarnen statt blind aufzugreifen wäre.
Zum iPad, das als böses Beispiel verwendet wird, weil es ja die Zensur ermöglicht und dadurch die Menschheit geißelt. Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass das iPad der erste Computer ist, den Senioren gern nutzen (bzw. hat schon mal jemand, dem das nicht aufgefallen ist, versucht, einer Person über 70 das „Mausen“ beizubringen?). Hat schon mal jemand bemerkt, dass Blinde und andere beeinträchtigte Personen das iPad ganz besonders gern verwenden, weil es ihnen das eMail-Schreiben, das Surfen und vieles mehr erleichtert? Hat schon mal jemand versucht, in einem AppStore als Entwickler mehr als 70 Prozent zu erhalten? Hat jemand schon mal problemlos seine Daten/Dateien/Musik zwischen Mobiltelefon, Computer und PDA/iPad sowie MP3-Player/iPod ausgetauscht und Adressen und Termine synchron gehalten? Achja, hat schon mal jemand versucht, WebKit aus der Welt zu schaffen (von diesem Apple-Projekt profitieren nämlich alle, und es ist das offenste am gesamten Android-System)? Hat schon mal jemand versucht, mit Rollerblades einen Umzug zu bewältigen? Nein? Eben, dafür nimmt man einen Lkw oder mindestens Kleintransporter. Genauso nimmt man einen Computer für „Arbeit“ und ein iPad für die kurzen und kleinen Aufgaben – und für den Spaß.
Zwei Punkte werden in der Debatte um Zensur oder Beschränkungen oder Gängelung immer gern vergessen:
- Apple ist so offen, wie es nur sein kann. Sämtliche DRM-Schranken sind von anderen Firmen aufgezwungen (wie man bei der Musik sieht, fliegt DRM über Bord, sobald es die Verträge zulassen). Es wird nicht versucht, einen eigenen Standard am Markt durchzuprügeln (wie Microsoft mit WMA und diversen Videocodecs), sondern das einfachste/offenste Verfahren gewählt (MP3, AAC – besser als MP3 und lizenzfrei für alle!).
- Apple steuert mit WebKit die verbreitetste Browserbasis bei. Alle mobilen Browser basieren darauf (auch Android – damit profitiert Google direkt von Apples Arbeit; WebKit ist das offenste Element vom ganzen Android).
Niemals vergessen: Apple bietet nur Geräte und Services an – niemand ist gezwungen, irgendwas davon zu kaufen oder zu nutzen (im Gegensatz zu Windows, wo Alternativen durch Verträge verunmöglicht oder arg behindert werden!) … letztlich entscheiden die Nutzer selbst.
Noch ein wichtiger Punkt, den die kreative Kritik vernachlässigt: Apple hat in den vergangenen Jahren keinen einzigen Mitbewerber vom Markt abgehalten, abgedrängt oder mit Verträgen geknebelt. Der Erfolg beruht einzig darauf, dass die Produkte am Markt überzeugen. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus: Wieso kaufen die Menschen Apple-Produkte? Weil sie auf Marketing hereingefallen sind? Warum kaufen sie dann immer wieder Geräte von dieser Firma? (Apple hat eine der höchsten Quoten von Kundentreue.)
Die Grundprämisse des Artikels bleibt albern, weil erstens die Sekundanten falsch argumentieren (und sich damit selbst disqualifizieren) und zweitens die von Apple verwalteten „Datenströme“ (in dem Fall die Apps und Kauf/Miet-Medien) nur einen Bruchteil der Nutzung der iOS-Geräte ausmachen – der aber zusätzlich (!) zu einem vollwertigen Internetzugriff besteht.
Ja, darin hat der Blog-Autor Recht, Apple hat Einfluss. Aber: Der Einfluss ist durch den Markt gegeben worden, nicht erkauft, erschlichen oder erzwungen. Der Einfluss bezieht sich nicht auf die freie Meinungsäußerung o.ä., sondern lediglich auf einen Anteil von weniger als 1,0 Prozent des Angebots in den virtuellen AppStore-Regalen (wobei die Zugangsschranken für App-Anbieter so niedrig wie möglich sind – niedriger jedenfalls sonstwo; Apple hält nur Ordnung in seinem Laden, ebenso wie Aldi, Kaisers, Real und wie sie alle heißen das Recht haben, bestimmte Produkte einfach nicht ins Regal zu legen; so wie der Pressegroßhandel und die Buchhandelsketten massiv mitbestimmen, was wir kaufen/lesen können!). Alle Kommunikationsformen, die das Internet ermöglicht, sind über die iOS-Geräte möglich – da von Zensur oder Beschränkung zu sprechen, stößt mir sauer auf. Aber vielleicht habe ich den Untertitel des Blogs auch nur falsch verstanden: „kreative Konsumkritik“ ist vor allem eines: kreativ.
Und was mich besonders ärgert, ist die Tatsache, dass andere sich durch solche unfundierten Blog-Beiträge in ihrer unfundierten Meinung bestätigt sehen (Wenn es jemand begründen kann, bin ich gern bereit zuzuhören). Wenn wenigstens die Begriffe korrekt verwendet worden wären … Und wenn die Beispiele etwas konkreter wären. Ich kann mich auch Kommunikationswissenschaftlerin nennen, wie die in der eingebetteten ZDF-Doku, in Kalifornien auf einen Campus setzen und ähnlich allgemein fabulieren oder noch schlimmer wie der Philosoph auf eine Veranda und völlig allgemein schwadronieren. So werden Meinungen „gebildet“ (Pun intended), aber keine Information oder Argumentationen geliefert.
Nachtrag (20. März)
Ich hab gerade ein paar schöne Zitate bei AppleInsider gefunden.
„you can’t use iPad as a computer replacement; it’s not a netbook in tablet form“ dieses Missverständnis (das iPad soll und kann keinen Computer ersetzen!) scheint mir eine der oft beobachteten falschen Grundannahmen zu sein (z.B. bei Herrn Kantel im Schockwellenreiter).
„Because it runs iOS, iPad can’t do a variety of things you can do on a Mac (or Windows PC), such as install your own fonts or other plugins, add Flash support to the web browser, or install apps from any source apart from the official App Store, or save documents to specific file system locations. It’s also less flexible with printing or file sharing. However, the flip-side to these kinds of limitations is that iPad is refreshingly simple.
That makes it very easy to support and difficult to mess up (and easy to recover if things do go wrong). It’s also very easy to keep up to date with both OS and app updates and security patches. There’s also very little threat of malware, and viruses are virtually impossible to encounter, thanks to the sandboxed, signed environment for apps and Apple’s curated software store. There’s also no issues with extension conflicts or plugin management and no real app compatibility issues.“ Diese zwei Absätze stellen die Vor- und Nachteile gut gegenüber. Für mich überwiegen die Vorteile. Aber wie schon früher geschrieben, kann man die Kritik an der inhaltlichen Zensur(möglichkeit) nicht ausblenden – wer sich aber darauf beschränkt, verpasst das Beste.
„Within these kinds of post-PC devices, integration has proven even more important than in the integrated Mac vs open PC market […]. Apple seems to be working to keep its iOS devices simple and approachable“ Das ist ein früheres Argument von mir gewesen: Durch die Einfachheit und Zugänglichkeit ermöglicht es auch Computerlegastenikern (um mal irgendein Wort zu verwenden) die Teilnahme am Internet (Browsen, eMail, Kommunikation). Übrigens ist die Bildschirmtastatur auch nicht langsamer als wenn man als Ungeübter im Adler-Suchsystem tippt, man kann für längere Texte ja auch ne Bluetooth-Tastatur verwenden.
„The relative lack of other technical specification data indicates that Apple doesn’t want to just build raw hardware; it wants to offer highly integrated finished products, where its iTunes, iBook, and App Store are major product features and its own first party apps like Pages, Numbers, Keynote, iMovie and GarageBand are significant differentiators.“ Mit diesen fünf erwähnten Apps beweist Apple, dass das iPad auch nicht als Konsumgerät diffamiert werden kann – wer dann noch all die zahlreichen Apps anderer Anbieter zum Malen, Zeichnen, Musizieren und sonstwastun heranzieht, ist irritiert über die Aussage, dass das iPad die Kreativität behindere. Es ermöglicht nur eben andere kreative Nutzungen als die bisherigen Computer (eben nicht mittels Nutzer-Stellvertretern in Form von Maus, Cursor oder Zeichentablett-Stift [Point and Click], sondern durch die direkte Manipulation der Bildschirminhalte).
Auch der Rest des zitierten Artikel ist sehr lesenswert. Weniger, weil er die Debatte aufgreift, sondern weil er vielmehr das iPad in seinem Sein bzw. Ist-Zustand und Möglichkeiten beschreibt, was dem Gerät eher gerecht wird. Der Autor kann aufgrund seiner bisherigen Berichte auch nicht als Apple-Jünger diffamiert werden ;-) Und das sehr Schöne ist, dass er das Gerät in den Kontext der Marktbedingungen (angerissene Historie, Wettbewerber, Preismodell) einordnet.
Erfahrungslos?
Ich habe noch einen Verdacht, den ich bislang nicht formulierte. So wie ich anfangs das iPad eher skeptisch sah und mir vor dem Kauf erst mindestens drei Stunden Rumprobieren in verschiedenen Geschäften gönnte, so habe ich das Gefühl, dass viele der vorgebrachten Kritiken mehr auf Halbwissen und Vermutungen als aus tatsächlicher Alltagserfahrung oder -beobachtung resultieren. (Ist jetzt nicht statistisch belegt, aber eine naheliegende Vermutung.) Da das Gerät aber letztlich so viel anders zu bedienen ist als ein herkömmlicher PC, muss man es selbst erleben/nutzen, um es zu begreifen. „Das Internet in der Hand“ ist nicht nur Marketing-Spruch, sondern eine tatsächliche Erfahrung, die eine Nutzungsmöglichkeit gut beschreibt.
Mit der Entwicklung des MP3-Codec war auch nicht wirklich vorherzusehen, dass letztlich die Musikwelt sich komplett ändern würde: Viele haben umfangreiche Musiksammlungen auf ihrem Computer, der Computer wird zur Hauptmusikquelle im Alltag, Musik wird nicht mehr auf Datenträgern vertrieben, Musik durchdringt den Alltag und isoliert die Menschen (gefühlt trägt jeder zweite in der S-Bahn Kopfhörer, die Quote ist sooo viel höher als früher zu Walkman-Zeiten, weil es auch einfacher/unaufwändiger ist, einen iPod zu befüllen als Kassetten zusammenzustellen und mitzuschleppen). Genauso ist schwer vorherzusagen, wie das iPad (oder Tablet-Computer allgemein) die Kultur und Gesellschaft und alles mögliche verändern.
Etwas Empathie
Es bringt aber nichts, das iPad zu verdammen und dessen Nutzer für doof oder ähnlich zu erklären. Denn diese sind nicht weniger doof als die Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren statt mit dem Fahrrad (sie wählen einfach das technische Mittel, das ihnen angemessen, nützlich und beherrschbar erscheint). Es bringt auch nichts, auf Apple einzuprügeln, weil die etwas tun, was man doof findet. Man braucht ja kein iPad zu kaufen. Vielmehr könnte man überlegen, warum Apple bestimmte Entscheidungen so getroffen hat, wie sie getroffen wurden – dann kann man nämlich besser abwägen, ob man sich auf das Abenteuer einlassen möchte oder nicht.
Die Kamera im iPad2 deutet beispielsweise darauf hin, dass Apple eher Videogespräche oder Video-Aufnahmen im Sinn hatte als Fotos. (Ich würde sowieso immer eine echte Kamera einem anderen Gerät mit Fotolinse vorziehen.) Aber wer nun meint, dass man mit einem Tablet-Computer auch Fotos machen muss, für den ist das iPad nix. Wer meint, dass es für Notfall-Fotos (beispielsweise als Beleg oder Erinnerungsstütze) genügt, der wird auch am Rest seine Freude haben. Auch alle anderen Entscheidungen sind motiviert. Apple kann es sich – wie alle anderen Unternehmen übrigens auch – kaum leisten, willkürliche Entscheidungen zu treffen.
Vorteile für Käufer
Die statistische Betrachtung deutet darauf hin, dass Apple nicht dazu neigt, seine Macht zu missbrauchen. Jeder vermeintliche Nachteil wird mit mindestens einem Kundenvorteil schmackhaft gemacht (siehe die ADB/USB-Tastatur-Passage in den Kommentaren). Apple – und dieses Konzept scheint den wenigsten vertraut zu sein – stellt Produkte her, die seine Mitarbeiter selbst gern benutzen möchten. Der Kunde ist nicht das Ziel eines Produktes, sondern der Kunde profitiert davon, dass die Apple-Leute (in der oft zugespitzten Fokussierung wird fast nur von Steve Jobs gesprochen) ein Produkt für sich entwickeln, dass „eben auch“ auf dem Markt angeboten wird. Deshalb kam das iPad auch erst 2010 heraus (obwohl intern seit sieben Jahren dran gearbeitet wurde und erste Vorarbeiten bis in die Newton-Anfangszeit zurückreichen). Erst 2010 war der technische Stand so weit, ein vergleichsweise leichtes, energieeffizientes, leistungsfähiges Touch-Gerät tatsächlich herzustellen. Denn ein Gerät, das nicht unmittelbar auf Eingaben reagiert und sich beim Browsen zu langsam anfühlt (Leistungsfähigkeit), das nicht mehrere Stunden mit einer Akkuladung aushält (Energieeffizienz) und nicht einfach auch in einer normal großen Handtasche Platz findet (Gewicht), das wäre kein Produkt, das die Apple-Leute gern benutzt hätten.
Apple hat das iPad nicht herausgebracht, um die digitale Weltherrschaft zu erlangen (mehr zu Marktanteilen), sondern weil sie glauben, dass das iPad so ein geiles Gerät ist, dass es möglichst vielen Leuten zur Verfügung stehen sollte. Aus dem gleichen Grund schreibe ich meinen Blog: Weil ich meine Gedanken (jedenfalls teilweise) für so irre wichtig oder nützlich halte, dass die Welt sie erhalten soll. Das klingt jetzt, als wäre ich auf Apple-Marketing hereingefallen. Aber vielleicht steckt in dem Marketing auch ein Körnchen Wahrheit? Jedenfalls deuten – zumindest für mich – sämtliche Produkte in die Richtung, dass die Behauptung so falsch nicht sein kann.
Nutzerperspektive
Ich könnte jetzt Dutzende (bei genügend Zeit auch Tausende) Beispiele aufführen, wo Vorteile für den Nutzer bestehen, während auf dem Markt andere Möglichkeiten existieren. Beispielsweise könnte Apple bei neuen Macs ein „MacOS X Basic“ mitliefern und für Profi-Features oder Zusatz-Programme einen Aufpreis verlangen (über den Mac-AppStore ginge das ja leicht), so wie es Microsoft mit seinen sieben Windows-Versionen veranstaltet. Stattdessen erhält man mit dem Gerät auch die aktuellen iLife-Programme kostenlos dazu (Apple waren die jenigen, die damit angefangen hatten, Microsoft hat da erst später nachgezogen, falls jemand darüber argumentieren will). „Für den Preis gehört sich das auch“, ruft jetzt der eine oder andere. Eben. Für den Preis will der Kunde sich zuvorkommend behandelt wissen, in seinen Interessen ernstgenommen und nicht auf den Kaufvorgang reduziert fühlen. Und genau das schafft Apple: Die Produkte fühlen sich so an, als wären sie für Nutzer (und nicht nur für Kunden) entwickelt worden. Viele nützliche Details (wie eben der Target-Modus oder die Sprachausgabe oder das Multitouch-Trackpad) erleichtern den Alltag für den Nutzer. So fällt es leicht, sich vorzustellen, dass auch die Apple-Leute den ganzen Tag mit nichts anderem als mit Apple-Geräten zubringen und überlegen, was sie tun können, um diese noch weiter zu verbessern. (Bei Microsoft grübelt dagegen die Marketing-Abteilung, was der Markt noch braucht, welche Features man den Kunden noch anbieten muss – zugespitzt, aber deshalb muss es nicht falsch sein;-)
Wenn man also unterstellt, dass auch die im eingangs erwähnten Blog-Eintrag kritisierten Zensurmaßnahmen aus Nutzerperspektive erfolgen, stellt sich die ganze Materie in einem anderen Licht dar. Das macht es zwar nicht weniger kritikwürdig, hilft aber vielleicht, nach wirklich sinnvollen Alternativen zu suchen (einmal unterstellt, dass gute Kritik immer konstruktiv und lösungsorientiert sein sollte).
Off Topic: Verschraubt
Weil ich eingangs die Offenheit erwähnte, sollte nicht verschwiegen werden, dass Apple seine Geräte mit recht fiesen Schrauben „sichert“. Das hat für mich als Nutzer den großen Nachteil, dass ich meinen Laptop nicht einfach so selbst aufschrauben kann. Es hat aber auch den Vorteil, dass ich nicht einfach so drin herumbasteln kann (was aus leidvoller Erfahrung öfter im Debakel endet, als man möchte). Wer ein Profi ist, kann das Risiko bewusst eingehen. Alle anderen bleiben draußen. Das passt zur Firmen- und Produktphilosophie. Natürlich bedeutet es, dass ich für Reparaturen in eine Werkstatt gehen muss – aber ist es nun im Nutzersinne von Vorteil oder Nachteil, wenn man echte Profis mit der Arbeit beauftragt? Wir reden hier nicht von einem 400-Euro-Laptop, sondern von einem 2.000-Euro-Laptop, nicht von einem Billig-Gerät, sondern von einem 500- oder 700-Euro-Gadget wie iPhone oder iPad.
Bei Autos (so ziemlich allen, die nach 1990 gebaut wurden) ist man ebenfalls auf eine Werkstatt angewiesen, weil das Innenleben so komplex geworden ist, dass Hobbybastler mehr kaputtmachen als reparieren können. Während es für Golf-2-Fahrer selbstverständlich ist, Werkzeug im Kofferraum zu haben, ist es für Golf-6-Fahrer albern. Genauso war es in den 1980ern und 1990ern normal und selbstverständlich, im Computer herumzuschrauben. Heute erwartet man jedoch keine Bastelsätze, sondern funktionierende Geräte. Das ist auch eine Form von Fortschritt. Wir messen heutige Autos ja auch nicht an 1970er-Modellen, und einfache Reparierbarkeit ist schon seit Ewigkeiten kein Testkriterium mehr.
Nachtrag 2 (23. März)
Zu Recht wurde Apple aufgefordert, eine Anti-Schwulen-App zu entfernen (jetzt haben sie es getan). Aber auch das ist eine Art von Zensur … Es gibt keine „gute Zensur“ – Zensur ist Zensur. … Freiheit ist immer auch „Freiheit des Andersdenkenden“ …
Wenn wir es also begrüßen, dass Apple solche Apps sperrt und künftig vielleicht auch gar nicht erst zulässt, dann müssen wir es auch hinnehmen, wenn sie Apps sperren, die uns vielleicht ein wenig sympathischer sind, aber ebenfalls andere Menschen anwidern / erschrecken / beleidigen oder sonstwie negative Gefühle auslösen.
Wenn Apple die App trotz der Proteste nicht gelöscht hätte, wären sie dann dafür gelobt worden? Wird das Löschen einer solchen App gemeinhin als sinnvoll und richtig gesehen? Würde es auch in anderen Kulturen oder würde es zu anderen Zeiten als sinnvoll und richtig angesehen?
Und damit noch einmal die Schlussfolgerung in Kürze: Apple verfügt über eine Struktur namens AppStore, für die bestimmte Regeln gelten (u.a. keine Pornografie). Apple agiert nach us-amerikanischem Recht und ist in der us-amerikanischen Kultur (Stichwort Prüderie) verhaftet. Bislang gibt es keine stichhaltigen Belege, dass Apple seine Macht zum Nachteil der Kunden / Nutzer missbraucht. Dass nicht immer alles optimal läuft, ist kein Beleg dafür, dass es schlecht ist.
Bin grad drüber gestolpert: „Even the official Android Market from Google does not allow adult content, along with Amazon’s newly launched third-party Appstore for Android, which opened Tuesday.“ (AppleInsider) Sind Apple also doch nicht die einzigen bösen, die gegen Pornografie kämpfen … Natürlich liegt die Sache bei Android ein kleines bisschen anders, da dort ja auch Programme aus anderen Quellen installiert werden können, dass aber sowohl Google als auch Amazon inhaltliche Grenzen ziehen, lässt Apple nicht so allein auf weiter Flur stehen, wenn es um potenzielle Zensur geht … Und seien wir ehrlich, normale Nutzer kaufen ihre Apps eher in einem der großen Stores als sie sich selbst zu suchen und zu installieren, sodass auch Google und Amazon mit ihrer Inhaltepolitik direkten Einfluss auf wahrnehmbare Inhalte haben … Spätestens hier wird der vom Konsumpf vorgebrachte Vorwurf insofern hinfällig, als keiner der anderen großen Anbieter das Recht auf freie Meinungsäußerung ohne irgendeine inhaltliche Grenze einräumt.
Und noch mal: Nachtrag (28. März)
Hab ich gerade erst entdeckt: Eine Argumentation, warum Apples Zensur der Anti-Schwulen-App eigentlich gar nicht so toll ist. Letztlich ergeben sich daraus zwei logische Möglichkeiten:
Entweder: Es gilt das Ideal der freien Meinungsäußerung, was auch die Meinung Andersdenkender einschließt. Dann kann jeder (Ideal des mündigen, aufgeklärten Bürgers) selbst entscheiden, was er oder sie davon denkt. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass jeder die Möglichkeit hat, diese Wahl frei zu treffen. Damit ist auch das Argument, dass ja niemand gezwungen ist, ein iPad zu kaufen, zulässig.
Oder: Es gilt das Ideal einer sinnvollen Zensur. Also gibt es irgendeine Instanz, die entscheidet, was uns zugemutet werden kann. In einer solchen Welt (die dem Bürger seine Mündigkeit, Aufgeklärtheit abspricht) gilt natürlich auch nicht das Ideal der freien Entscheidung.
Damit ergibt sich als argumentative Anforderung: Wer fordert, dass es keine Zensur bei Apple gibt (weil er dem Ideal der mündigen, aufgeklärten Bürger anhängt), kann nicht im nächsten Atemzug die soeben noch als mündige Bürger idealisierten Menschen zu willenlosen Marketingopfern stilisieren. Wer dagegen eingesteht, dass es erfolgreiches Marketing gibt (ohne anderweitigen Zwang wie beispielsweise Bündelverträge á la Microsofts Windows), das die Menschen beeinflusst, der spricht genau diesen Menschen ihre Mündigkeit ab. Denn Menschen, die auf Marketing hereinfallen, brauchen eine Zensur-Instanz, um sie vor „falschen“ Einflüssen (Propaganda, Hetze, Verleumdung, etc.) zu schützen.
Man kann sich nicht aus beiden Bereichen das jeweils passende herauspicken, und behaupten, dass Zensur per se schlecht ist, aber andererseits die Menschen so blöd sind, auf Marketing hereinzufallen (wie es in den Kommentaren zu o.g. Konsumpf-Artikel geschah). Dass dies nicht sinnvoll ist, machen auch die Kommentare in diesem Artikel deutlich, die aufgrund ihrer us-amerikanischen Ideale (Freedom of Speech, Freedom of Choice) das Problem in ein realistischeres Licht rücken. Denn selbst bei Zensur in ihrem Sinne hören sie automatisch die potenzielle Zensur entgegen ihrer Interessen mit. Dafür gestehen sie Apple und seinen Kunden aber die Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu, die ihnen in Deutschland (zumindest in den mir bekannten Debatten) eben nicht zugestanden, sondern auf „Marketing“ reduziert wird.
Dass Apple als Betreiber einer Plattform mehr Rechte hat als ein App-Anbieter oder Nutzer, ist durchaus im Sinne der Argumentation. Denn mit seinen App-Bestimmungen hat Apple die Regeln festgelegt. Genauso wie ein Supermarkt die Regeln für die Nutzung seines Parkplatzes festlegen und Langparker abschleppen lassen kann. Zur Mündigkeit gehört es, auch die Rechte anderer anzuerkennen und diese zu respektieren. Denn Apple hindert ja niemanden an der freien Meinungsäußerung, über Websites, Broschüren, Bücher, Filme u.a.m. kann jeder seine Gedanken frei verbreiten – wenn er einen Verlag, Filmproduzent und -verleiher und das Publikum findet.
Aber letztlich finde ich jede Zensurdebatte in Deutschland heuchlerisch … Schließlich leisten wir uns als meines Wissens einzige moderne Demokratie immer noch eine Zensurbehörde.
Den Textinhalt kannte ich ja nun schon aus dem Kommentarthread bei mir. ;-) Was hieltest Du aber davon, Deine Kritik jetzt nicht nur an mir als doch letztlich unbedeutendem Blogger auszulassen, sondern sie auch den Autoren, die ich da zitiere, angedeihen zu lassen (gibt ja auch Kommentarfunktionen bei diversen dieser Websites)? FAZ & Co. haben ja nun mal eine Millionenleserschaft und dort wird wirklich in großem Stil „Meinung gebildet“.
All die anderen Sachen hatte wir ja schon „bei mir“ diskutiert, ich hatte ja auch eingesehen, dass ich offenbar nicht sauber recherchiert habe, bevor ich meinen Artikel veröffentlichte.
Dass ich die These aufstelle, dass Apple „das Internet“ (was sollte das auch genau sein?) zensiert, stimmt so allerdings nicht bzw. war es nicht meine Absicht, sowas zu behaupten. Dass Apple über die Apps zumindest die Möglichkeit hat, Contentanbieter im Vorhinein dazu zu bewegen, gewisse Inhalte wegzulassen, war eher gemeint. Es ging mir ursprünglich (also als ich den Artikel begann) sogar primär um die Frage der kommerziellen Durchdringung der digitalen Welt, also ob Leute sich beispielsweise zukünftig eher über von Verlagen angebotene Apps und deren vorgefilterten Nachrichten informieren (weil’s so bequem ist) oder eher über eine Vielzahl von Medien. Aber das kann natürlich auch heutzutage auf einem „normalen“ Rechner schon so sein, wenn User nur ihre fest eingespeicherten Seiten anlaufen (allerdings besteht über Verlinkungen immer die „Gefahr“, dass man dann auch plötzlich ganz woanders ankommt). Und technisch Interessierte und Versierte werden sowieso immer variable Wege gehen, egal auf welchem Endgerät.
Abgesehen davon bin ich etwas erstaunt, dass Du den aber eher mäßig sinnigen Abschnitt :
„Der Erfolg beruht einzig darauf, dass die Produkte am Markt überzeugen. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus: Wieso kaufen die Menschen Apple-Produkte? Weil sie auf Marketing hereingefallen sind? Warum kaufen sie dann immer wieder Geräte von dieser Firma?“
in Deinem Artikel stehen hast, denn das mit dem „einzig…“ hatte ich ja ebenfalls auch schon in meinem Kommentar widerlegt – hohe Qualität zieht nicht immer Erfolg nach sich und Erfolg basiert nicht immer nur auf Qualität. In der Hinsicht berufe ich mich mal auf meine Expertise aus meinem Marketingstudium ;-) Da bist Du also ein wenig auf dem Holzweg bzw verkennst Du die Intentionsvielfalt vieler Konsumenten und auch der Marketingabteilungen – moderne Reklame funktioniert viel übers Image, nicht unbedingt mehr über die echten Produkteigenschaften oder gar die Qualität. Ich bin auch meinem Apple/Mac lange treu geblieben, obwohl ich zwischenzeitlich mit anderen Systemen meinen damaligen Bedürfnissen (auch preislich) näher gekommen wäre. Aber da hatte ich dann halt meinen Stolz. ;-) Das „am Markt überzeugen“ ist deshalb eine zweischneidige Sache – sonst wäre Windows am Ende ja auch eine tolle Sache, da die sich immerhin gegen den Mac am Markt durchgesetzt haben…
Pingback: Konsumpf » Die Durchkommerzialisierung der digitalen Welt – Teil 2: Apple
Ich habe meinen Apple-Artikel jetzt übrigens um einen Hinweis auf Deinen Beitrag hier ergänzt – man soll mir ja keine Uneinsichtigkeit und einseitige Meinungsmache vorwerfen können. ;-)
;-) Den Schockwellen-Artikel hatte ich kommentiert bzw. mit einer Erwiderung hier gewürdigt gehabt. https://www.zanjero.de/2010/das-ipad-ist-kein-computer-ii/
Den Schirrmacher knöpf ich mir in ner ruhigen Minute mal vor und das ZDF auch. (Hab ja nicht immer so viel Zeit wie in den vergangenen beiden Tagen:-)
Das „einzig“ bedeutet: Nicht durch Zwang, Knebelverträge, sondern eben aus eigener Entscheidung heraus. https://www.zanjero.de/2010/microsofts-reichtum/ Marketing hat natürlich auch eine Wirkung, aber im Bereich des Marketing hat Apple die gleichen Chancen wie Microsoft (zumindest theoretisch). Und „Erfolg“ ist immer relativ. Für Microsoft scheint als Erfolgsmaßstab ein Mindestmarktanteil von 80 Prozent zu gelten. Für Apple genügt es (das zeigt zumindest die Erfahrung/Vergangenheit), wenn das Unternehmen profitabel arbeitet. Aber bitte jetzt nicht über diesen Satz eine neue Debatte lostreten, das ist nur mein Eindruck, und es gibt zwar auch andere, die einen ähnlichen Eindruck haben, aber das ist eine andere Debatte als die Frage, ob es für das iPad eine leistungsfähige Entwicklungsumgebung gibt oder warum das iPad keine Tastatur hat.
Übrigens: So wie du es hier beschreibst, klingt es viel logischer und differenzierter und reizt kaum zum Widerspruch. Bin beruhigt :-)
Ich habe übrigens noch eine technische Frage, zu meinem besseren Verständnis von Apples Vorgehen, und weil Du schreibst, dass Betriebssysteme ja auch proprietäre Software darstellen. Ist es nicht so, dass man auf einem „normalen“ Computer nicht nur andere Betriebssysteme installieren kann (auf meinem Mac läuft neben OSX auch Windows (natürlich nur in Ausnahmefällen ;-) ), sondern dass man dort programmieren kann, was man mag, und anschließend das Programm auf dem eigenen Server jedermann zum Download anbieten kann, so dass es jeder bei sich laufen lassen könnte? Während bei eine iPhone/iPad diese Apps vorher durch das Nadelöhr des AppStores gehen müssen? Wenn dem so wäre (wie gesagt, ich hatte das ursprünglich mal so verstanden, bin mir jetzt aber nicht mehr sicher, ob das stimmt), läge aber eben schon eine Art „Kontrolle der Datenströme“ vor, von der ich mal schrieb. Also eben eine zumindest potentielle Einschränkung dessen, was man mit seinem Gerät tut. Aber vielleicht hatte ich das auch in diversen Artikeln falsch verstanden, dann wäre der Artikel in meinem Blog natürlich erst recht hinfällig. ;-)
„Das „einzig“ bedeutet: Nicht durch Zwang, Knebelverträge, sondern eben aus eigener Entscheidung heraus.“
Das hatte ich schon richtig verstanden, aber wie gesagt verkennst Du da ein wenig „gruppendynamische Prozesse“ (meine Freunde haben das, dann will ich das auch) oder auch, dass jemand, der eine hohe Marktmacht hat bzw. einen hohen Marktanteil, dann eben auch entsprechend prominent in Geschäften und Medien präsentiert wird. Dann ist das zumindest eine „gelenkte freie Entscheidung“ der Käufer… Ich meine übrigens auch von Apple schon Microsoft-ähnliche Knebelungen gehört zu haben (die mir erzählt wurden), müsste da aber erstmal nachfragen, wie das genau war.
Früher hattest Du oft indirekte Knebelungen: Kaufst Du einen Mac, musst Du auch die teure Apple-Zusatzhardware kaufen, weil es keinen andren Anbieter für die Sachen gab. Aber die Zeiten eines fitzeligen Apple-II-Joysticks für 150 DM sind ja zum Glück vorbei. :-)
Was ist ein Betriebssystem? Das ist eine philosophische Frage ;-) (das hab ich mal unter https://www.zanjero.de/2009/mac-windows/ beschrieben; irgendwo im Mittelteil). Auch alle anderen Handy-Systeme (Android, Symbian, Windows-Phone, MeGoo, etc.) haben ähnliche Store-Konzepte wie der AppStore (Google hat neulich auch erstmals davon Gebrauch gemacht und sogar installierte Programme einfach entfernt).
Man kann (bzw. sollte es einfach nicht tun) ein iPad mit einem Computer direkt vergleichen. Denn jedes aktuelle Handy hat mehr Rechenleistung als beispielsweise Computer in den 1980er Jahren (oft auch als in den 1990ern:-) – dennoch wird es keiner mit einem Computer (PC) vergleichen wollen bzw. an das Mobilgerät die gleichen Ansprüche wie an einen PC anlegen. https://www.zanjero.de/2010/das-ipad-ist-kein-computer/ https://www.zanjero.de/2010/das-ipad-ist-kein-computer-ii/
Gruppendynamische Prozesse sind kein Zwang, sondern obliegen der völlig freien Entscheidung der Einzelperson (Stichwort mündiger Bürger, freier Wille – wenn wir das nicht mehr als Basis gelten lassen können, was dann? Nach 1945 haben sich sehr viele Menschen mit der „Gruppendynamik“ aus der Verantwortung gezogen … nur so als Gedanke). Wer seine Entscheidungen nach Hipness oder anderen Gruppendynamiken ausrichtet, wird nicht geknebelt, sondern nimmt einfach einen kurzen Entscheidungsweg. Im Gegensatz z.B. zu Windows auf PC, wo man kaum die Entscheidung hat.
Wenn ich mir einen BMW kaufe, passen die Einbau- und Ersatzteile vom Golf oder Wartburg auch nicht … Da von Knebelung zu sprechen, geht irgendwie am Thema vorbei, oder? In einem modernen BMW ist auch etwa so viel Computertechnik wie in einem iPad – dennoch würde keiner verlangen, auf einem BMW programmieren zu dürfen. Und auch auf einem BMW darf nur zugelassene Software laufen. Achja, und Microsoft hat auch noch andere Nachteile im Mobilbereich (http://arstechnica.com/microsoft/news/2011/03/the-carriers-are-not-your-customers-the-windows-phone-7-update-mess.ars ) Da dürfen die Kunden nicht einmal aktuell verfügbare Updates einspielen …
Um auf die Kernfrage zurückzukommen: Der deutsche Buch- und Zeitschriftenhandel behält sich ebenso vor, bestimmte Erzeugnisse nicht einfach anzubieten. Die staatliche Zensurbehörde FSK behandelt uns wie unmündige Kinder. Apple versucht nichts anderes, als seinen Laden sauber zu halten. Dass dabei nicht immer für uns nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden, ist mit Sicherheit ein Nachteil, der auch Kritik verdient. Aber für mich überwiegt der Vorteil, dass ich auf einem Mobilgerät (!) keinen Virenscanner benötigen werde ;-) Letztlich gilt es immer (!) abzuwägen, wie viel Kontrolle sinnvoll ist. Bislang bewies Apple größtenteils Augenmaß. Prozentual gesehen sind die Ablehnungen ein verschwindend geringer Teil. Dass die Betroffenen natürlich Lärm machen, ist klar und lässt das Problem m.E. etwas überwichtig erscheinen. Nichtsdestotrotz: Porno- und Furz-Apps brauch ich nicht im AppStore, wenn ich Pornos gucken will oder muss, kann ich mir die im Webbrowser anschauen.
Letztlich muss Apple auch folgendes berücksichtigen: Die erste Mutter, die Apple verklagt, weil ihr Kind auf dem iPhone oder iPad eine App mit Porno-Bildern startet, löst eine ganz anders geartete Debatte aus (jedenfalls in den USA). M.E. sollte Apple einen guten Alterscheck einbauen und die Zulassungsregeln etwas lockern. Aber in der US-Kultur ist eine nackte Brust (siehe Nippelgate) ein Skandal, während bei uns schon im Nachmittagsprogramm Männer und Frauen gleichermaßen unbekleidet in den Medien präsent sein dürfen. Vielleicht sind die USA einfach zu prüde, und der AppStore ist nur ein Kollateralschaden? http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2182/1.html http://www.heise.de/tp/r4/artikel/4/4158/1.html
Denn Apple existiert nicht im luftleeren Raum, wo sie einfach tun und lassen können, was sie wollen. Sie sind – wie jede andere Firma – darauf angewiesen, dass Kunden ihre Produkte kaufen und nutzen. Sie existieren in einem kulturellen und technischen und juristischen Umfeld, das Ansprüche, Regeln und Grenzen vorgibt (manche sehr fest, andere eher flexibel).
Daher wäre es m.E. bei jeder Debatte über die Probleme von Apple bzw. Apples AppStore angebracht, darzulegen, wie denn eine bessere Lösung aussähe bzw. wenigstens nach welchen Kriterien oder Idealen man die Kritik anbringt. Denn das deutsche Kultur- und Rechtsverständnis lässt sich leider nicht so einfach anwenden (lässt sich natürlich, aber dann kann ich auch meinen Frühstücksteller mit einem iPad vergleichen:-).
Aber das wäre natürlich für eine Konsumkritik schon etwas heftig. Besser wäre es, m.E. das ganze in den Kontext der US-Prüderie zu stellen (dazu gibts ja bei konsumpf einige Beiträge, aber die kann man auch im Einleitungsabsatz verlinken bzw. explizit auf den Kontext ansprechen). So, mehr Konstruktives fällt mir jetzt nicht ein ;-)
„Wenn ich mir einen BMW kaufe, passen die Einbau- und Ersatzteile vom Golf oder Wartburg auch nicht … Da von Knebelung zu sprechen, geht irgendwie am Thema vorbei, oder? “
Der Vergleich hinkt jedoch – wenn ich früher einen (z.B.) Compaq hatte, konnte ich trotzdem die Tastatur eines Dells einsetzen oder eine Festplatte in irgendeinem Laden kaufen. Ich will Dir Deinen geliebten Apple-Konzern ja nicht madig machen ;-), aber Apple hat sich schon lange Zeit oft ohne Grund (außer den der Gewinnabschöpfung) gegen Industrienorm-Peripherie gesperrt und lieber ein eigenes Süppchen gekocht. Dass es auch anders geht, sieht man ja jetzt, wo man bspw. die Tastatur ebenfalls über USB anschließen kann und nicht mehr über den blöden ADB. („blöd“, weil Insellösung und deshalb mit teuren, da raren, Produkten versehen) Aber das ist echt alles technischer Klimperkram und eigentlich total uninteressant. :-)
Ist nicht ganz so einfach. Wenn ein Standard gut war, haben sie ihn genutzt, wie SCSI . Wenn er nicht so gut war oder wichtige Features fehlten, haben sie einen eigenen entwickelt. ADB: mehrere Geräte in Reihe möglich (die berühmten kurzen Mauskabel), der Computer kann über ADB gestartet werden (das geht weder mit seriellen noch PS/2- noch USB-Anschlüssen). Man kann, glaube ich, guten Gewissens auch Apple etwas Verstand unterstellen. Als Unternehmen müssen sie kalkulieren, d.h. wenn es etwas gibt, was den Zielvorgaben und Anforderungen genügt, dann wird ein bestehender Standard genommen, wenn es nichts gibt, wie in den 1990ern eben kein Anschluss-Standard existierte, der es ermöglichte, eine Power-Taste auf der Tastatur zu integrieren (und da es Apple offenbar als Ziel ansah, den Computer nicht über einen klassischen an/aus-Schalter am Gerät zu starten), entwickelten sie ihren eigenen Anschluss. Auch bei den ersten iMacs (übrigens haben die iMacs ganz wesentlich zum Durchbruch von USB beigetragen) wurde der USB-Standard dahingehend erweitert, dass es eben möglich war, auf einer USB-Tastatur auch einen Power-Knopf anzubringen. Nach ein paar Jahren haben sie das aber wieder aufgegeben und gleichartige Schalter/Tasten an den Geräten direkt integriert. Im Gegensatz zu allen anderen Computern in den 1980ern und den meisten in den 90ern wurde ein Mac eben nicht mit einem mechanischen Schalter gestartet. Und die Apple-Tastaturen waren auch nicht so viel teurer als vergleichbare Markentastaturen und diesen ebenbürtig, ebenso wie die Mäuse. Apple ist und war eigentlich nie ein Billig-Anbieter und hat Wert auf scheinbar unwichtige Details gelegt. Natürlich gibt es immer seltsame Ausnahmen, aber in der Gesamttendenz waren solche Dinge durchdacht und nicht willkürlich.
Und was das hinkende BMW-VW-Wartburg-Beispiel betrifft, natürlich hinkt es, aber im Grundsatz stimmt es. Darf man nämlich auch nicht vergessen: die Computerwelt war damals noch weit von unserer heutigen Standardisierung entfernt und hatte auch mehrere verschiedene konkurrierende Anschlusstypen, von denen einige verbreiteter waren als andere, und in the Long Run hat sich selten der beste Anschluss durchgesetzt, sondern oft der billigste. Wenn ich dran denke, dass Flachbildschirme selbst heute noch oft über VGA angeschlossen werden, bin ich irritiert. Auch wenn es ein wenig verbreiteter Anschluss war, so war doch der Mac-Monitor-Anschluss beispielsweise für die CinemaDisplays (jene mit LCD) genial: ein Kabel, das das digitale (!) Signal überträgt, den Monitor mit Strom versorgt und gleichzeitig eine USB-Verbindung herstellt, sodass das Display gleichzeitig als USB-Hub fungiert und der Computer mit dem Monitor-Taster angeschaltet werden kann. Und das alles mit nur einem einzigen Kabel! Das ist und war ein Komfort, der auf anderen PCs nicht mal im Absatz vorstellbar gewesen wäre.
Und gaaanz wichtig: niemand ist und war gezwungen, einen Mac zu kaufen. Was du als Insellösung bezeichnest, war oft technischer Komfort (ich will jetzt nicht sagen Überlegenheit; jedenfalls war es meist besser als der kleinste gemeinsame Nenner, den Industriestandards sonst ja repräsentieren). Du machst mir den Konzern nicht madig, ich bin nur überrascht, dass denkende Menschen einem Unternehmen unterstellen, Schwachsinn zu veranstalten. Stattdessen sollte man lieber fragen „Cui Bono“ (wem nutzt es), und dann wird man feststellen, dass in mindestens achtzig Prozent der Apple-Fälle der Nutzer profitiert (wenn auch nicht immer an der Preisfront, aber Apple in den Krieg der Billigheimer hineinzuziehen, würde bedeuten, das BMW-Beispiel nicht mal im Ansatz verstanden zu haben). Oder gibt es z.B. die Möglichkeit, einen Dell-pc so ohne weiteres mit einem anderen zu verbinden, um nach einem Systemabsturz oder bei anderen Fällen einfach Daten von der Festplatte auszulesen, weil sich der PC wie eine externe Festplatte verhält (ein immer wieder nützliches Feature von SCSI und FireWire).
„Und gaaanz wichtig: niemand ist und war gezwungen, einen Mac zu kaufen.“
Das wiederholst Du irgendwie in jeder Deiner Antworten, obwohl niemand Gegenteiliges behauptet hatte…
„Du machst mir den Konzern nicht madig, ich bin nur überrascht, dass denkende Menschen einem Unternehmen unterstellen, Schwachsinn zu veranstalten. “
Das unterstelle ich ihnen sicher nicht – die wissen zumeist schon, was sie damit tun (auch wenn nicht immer alles sinnvoll war), aber dass Apple das alles quasi nur aus Kundengesichtspunkten so tut, halte ich eher für ein Gerücht…
Aber egal, das ist eine fruchtlose Diskussion, da keiner von uns in der Apple-Vorstandsetage sitzt und somit die Absichten und Masterpläne des Konzerns kennt, sondern nur was hineinlesen kann (Du halt mit stark positiv gefärbter Brille ;-)
Ich wollte aber noch mal Deine lange Antwort davor kurz zusammenfassen: hatte ich das also doch richtig verstanden, dass man Apps nur über Apples Appstore beziehen kann?
Mal abgesehen davon , dass es dafür auch gute Gründe gibt/geben kann (wobei man sich beim Punkt „Prüderie“ fragen muss, weshalb Apple dann für den Mac nicht ebenso verfährt, sondern man Programme dort frei verfügbar bekommt?), haben wir damit dann aber schon genau die Situation, dass ein gewinnorientierter amerikanischer Konzern zumindest die Struktur geschaffen hat, in das Geschehen korrigierend einzugreifen. Das ist vielleicht ein bisschen wie bei vielen anderen Problemen aus dem Bereich (Datenschutz bei Facebook oder Privatsphäre bei Google oder der Vorratsdatenspeicherung) – NOCH passiert nichts wirklich Schlimmes, aber die Struktur ist jedenfalls da.
So, und damit auch Ende der Debatte, von meiner Seite her jedenfalls. ;-) So wichtig (und interessant) ist das Thema Apple auch echt nicht… Ich fühle mich zwar ein wenig in meine eigene „Apple-Fan-Phase“ zurückversetzt (die bis vor einigen Jahren andauerte), als es darum ging, allen Leuten der Gloriosität des Macs teilhaftig werden zu lassen – aber letztlich sind diese Glaubenskriege der Art Mac/Windows etc. total wurscht, weil zB jedes System seine Vorteile hat (ja, vermutlich selbst Windows ;-) und es vor allem letztlich nur um ein Handwerkszeug oder technischen Spielkrams geht – ich glorifiziere ja auch nicht meine Waschmaschine (und die hält sogar noch länger als ein Mac!)… :-) Es geht also nur um ein ganz profanes Produkt. Im Marketingkreisen genießt Apple natürlich auch Vorbildcharakter (wie Nike, Coca Cola etc.), weil sie es geschafft haben, ein Produkt jenseits aller tatsächlichen Produkteigenschaften so mit Sinn aufzuladen, dass Leute sogar so lange Blogposts und Kommentare dafür schreiben ;-) und ihnen damit einen „quasi-religiösen“ Status zu verleihen. (Leider hat Apple mit vorgenannten Firmen gemein, dass sie ihre Produkte auch auf dem Rücken der Arbeiter herstellen lassen, Stichwort Foxconn…)
von mir dann noch diese Erwiderung.
Ich wiederhole das deshalb, weil die Struktur, die du ansprichst, davon abhängig ist, dass Menschen Apple-Produkte kaufen (wozu sie eben niemand zwingt). Damit das so ist, muss Apple die Kunden überzeugen, die Produkte haben zu wollen: mit Mythen, Marketing, aber auch mit Qualität, Reife, Durchdachtheit und Nützlichkeit (ohne letztere wären erstere wirkungslos). Versuch mal, einen „normalen“ Laptop ohne Windows zu bekommen – die Differenzierung findet nur über Preis und Ausstattung statt – dass Windows mindestens in einer Krüppelversion drauf ist, kannst du kaum verhindern (höchstens es selbst später gegen Linux austauschen). Das gilt übrigens für Mac-Computer (die in deinem Ursprungsartikel keine Rolle spielten) genauso wie für iPhone, iPod und iPhone. Der Unterschied letzterer zu anderen Produkten besteht darin, dass sie sich an die Infrastruktur von iTunes anbinden, während Android und Windows-Phone und andere eigene Synchronisationsprogramme mitliefern (deren Qualität stark schwankt, und die in den meisten Fällen eben zu nichts anderem genutzt werden als zur Synchronisation). Und wie ebenfalls richtig bemerkt: Es handelt sich um einen Konzern, bei dem ich die Wahl habe, Produkte zu kaufen – oder eben nicht. Bei staatlichen Zensurmaßnahmen habe ich keine Wahl (höchstens auswandern). Deshalb ist mir dieser Punkt wichtig.
Zu dieser Infrastruktur gehört der AppStore als einzige Möglichkeit, zusätzliche Programme zu installieren. Ich kann genau sagen, warum sie beim Mac-AppStore nicht genauso agieren: Das iPad ist kein Computer! Ein Computer ist ein leistungsfähiges Allzweckwerkzeug (mit vielen Leistungsreserven). Ein iOS-Gerät ist ein „Gadget“, dessen Leistungsfähigkeit naturbedingt begrenzt ist.
Mit „dass ein […] Konzern zumindest die Struktur geschaffen hat, in das Geschehen korrigierend einzugreifen“ triffst du das eigentliche Problem. Es besteht die Möglichkeit. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Microsoft Windows-Computer deaktiviert (weil es Serverprobleme hat – ist schon passiert). Es kann auch passieren, dass Nutzer ihre Daten verlieren, weil ihr Handy alles nur in einer Cloud speichert, die plötzlich abstürzt (auch schon passiert). Du zählst ja auch andere solche Strukturen auf, deren Missbrauchspotenzial einleuchtet. Und damit sind wir wieder bei meiner ursprünglichen Textkritik. Wie sähe denn das Ideal aus, an dem sich eine bessere Lösung orientieren müsste? Jetzt ist der Befund, etwas eingedampft nur noch „Apple besitzt – wie andere Unternehmen ebenfalls – eine Struktur, um einen Einfluss auszuüben (ungewollte Programme zu verhindern).“ Zur Illustration dienen dann einige lärmverursachende Programmverweigerungen. So what?
Wenn ich als Prämisse setze, dass ein Mobilgerät keinen Virenscanner benötigen soll, dass die Sicherheit und Nutzbarkeit eines Mobiltelefons (nicht vergessen: das iPad ist zwar kein Mobiltelefon, fällt aber letztlich am ehesten in die Kategorie der Smartphones – jedenfalls hat es mit diesen in er Nutzung mehr gemein als mit jedem herkömmlichen PC) nicht beeinträchtigt werden dürfen, denn Mobiltelefone können Leben retten (Notdienst anrufen) oder Kosten verursachen (ungewollte Anrufe, unnötiger Datentransfer, der außerdem wieder die Nutzbarkeit des Mobiltelefonnetzes betrifft), dann kann man sich schwerlich auf die Nutzer-Intelligenz verlassen, nur Nicht-Viren und Programme zu installieren, die sparsam mit Datenverkehr und den begrenzten Ressourcen umgehen. Mir sind jedenfalls genügend Nutzer bekannt, denen ich diese Entscheidung nicht überlassen würde (Wohl jeder kennt einen Verwandten, dessen Computer regelmäßig mit Test-Software, Pseudo-Tweaks und anderen Spielereien regelmäßig bis zur Unnutzbarkeit verseucht wird). Wenn also diese Prämisse gilt (wenn nicht diese, welche dann?), dann ergeben sich daraus Schlussfolgerungen und berechtigte Forderungen. Wenn man aber nur das Symptom (es gibt diese Struktur mit Missbrauchsmöglichkeit) geißelt, ist niemandem wirklich geholfen. Denn wie soll eine bessere Lösung aussehen? Gibt es bessere Lösungen auf dem Markt? Meines Wissens bleibt als einzige Konsequenz, komplett auf sämtliche Smartphone-ähnlichen Geräte zu verzichten.
Falls es vielleicht etwas untergegangen ist: Ich habe nicht behauptet, dass Apple die Heilsbringer dieser Welt sind oder Narrenfreiheit genießen sollten. Ich habe lediglich versucht, das kritisierte Phänomen in einen Kontext zu rücken, der dem Phänomen eher gerecht wird. Und dass Apple seine Entscheidungen auch nicht einfach willkürlich treffen kann, sondern Erfordernisse des Marktes, der Kultur, des Rechtssystems berücksichtigen muss.
Oder um es mal etwas drastisch auszudrücken: Bei Kindern toleriert man „Mama, ich will das nicht!“, und dann muss die Mutti sich entweder damit abfinden, denn rationale Argumente verfangen schlecht, oder das Kind auf andere Weise überzeugen/überreden. Bei Jugendlichen kann man eine Abwägung und Argumentation starten „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen; wer das eine will, muss das andere mögen.“ Bei Erwachsenen, die kritisieren, erwartet man aber eine eigene Abwägung (klassisches Schema: These – Argumente pro und contra – Schlussfolgerung). Bei Rezensionen von Kulturgütern ist das Bezugssystem meist klar. Bei Berichten über Arbeitsbedingungen ebenfalls (als Mindestanforderung gilt für westliche Autoren das westliche System der behaupteten Nicht-Ausbeutung, geregelten Arbeitszeit, Menschenwürde, etc.) Aber bei so diffizilen Themen wie Zensur gehört immer das Eingeständnis der Notwendigkeit (niemand hat das Recht auf „Snuff-Movies“!) dazu. Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass bestimmte Dinge auf gar keinen Fall publiziert werden dürfen (ich möchte solche Beispiele jetzt nicht aufzählen). Und damit kommen wir zu einem alten Kommentar von mir zurück: „Wo liegt diese Grenze, und wie kann garantiert werden, dass sie eingehalten wird?“ Welche Kollateralschäden sind wir bereit zu tolerieren? Welche Infrastruktur wird benötigt? Wie wird Missbrauch verhindert? Selbst wenn wir die Zensur den staatlichen Stelle überlassen, so wäre Apple dann wieder verpflichtet, sich diesen unterzuordnen. Bei Computerspielen und Filmen haben wir uns damit abgefunden, dass FSK/USK mit hässlichen Aufklebern die Verpackung verunstalten. Man könnte natürlich verlangen, dass nur Spiele über den AppStore in Deutschland vertrieben werden, wenn ihnen eine USK-Freigabe vorliegt …. Irgendwie hat Apple mit dem AppStore binnen weniger Jahre einen Markt geschaffen, der zuvor kaum existierte, und von dem sowohl die Entwickler als auch die Nutzer profitieren. Nach meiner Beobachtung ist auch bei Entwicklern (jedenfalls insgesamt gesehen) die Begeisterung über den Store deutlich größer als der Ärger damit.
Damit bleibt für mich folgendes Fazit: Ja, es gibt eine Struktur, die die Möglichkeit bietet, sie zu missbrauchen (das ist jeder Struktur inhärent). Der Store bietet für Nutzer und Entwickler Vor- und Nachteile, wobei nach der derzeitigen Praxis die Vorteile überwiegen. Es gibt bislang keine andere Struktur, die mindestens die gleichen Vorteile und weniger Nachteile bietet. Das Leben ist konkret: Also kann man zwar den AppStore am Ideal der absoluten Nicht-Zensur messen, aber das bringt in der Praxis ebenfalls mehr Nachteile als Vorteile … Als konkrete Forderung und Verbesserung besteht derzeit eigentlich nur eine bessere Transparenz. Und ein – juristisch wasserdichtes – Altersverifikationssystem. In Anbetracht der Tatsache, dass Politik und Gesetzgebung ständig den Entwicklungen hinterherhecheln, ein witziges Unterfangen.
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